Rachel Gross

Rachel Gross was born in 1915 as Rose Brock and lived with her family in Gols, Burgenland. She attended elementary school there, later a school in Vienna, and then finally a convent school in Neusiedl am See. In April 1938, Gross and her family were forced to leave Austria by SS and SA men who brought them to the Hungarian border and forced them through some woods and over the border. They were able to get a ship to Palestine via Romania. Gross ran a café with her husband in Tel Aviv, Israel.

Full interview

Part 1
Part 2
Interview form:
Video
Interview location:
Israel
Interview language:
German
Interviewer:
Lisa Schulz-Yatsiv
Interview duration:
01:31:15
Collection:
LBI Jerusalem
Number of meetings:
1
Date of interview:
April 17, 2013
Rachel Gross
Birth name:
Rose Brock
Date of birth:
August 1915
Route of escape
1938 Gols, German Reich
1938 Rajka, Hungary
1938 Romania
1938 Palestine
Stages of life
Here is a chronological list of the places that feature in the life story of the interviewed person.
Gols, Austria
Petach Tikwa, Israel
Ramat Gan, Israel
Tel Aviv, Israel
Training
Compulsory schooling
Elementary school,
Gols, Austria
High school
High school,
Vienna, Austria
High school
Monastery/Covent school,
Untere Hauptstraße 66, 7100
Neusiedl am See, Austria
Profession/job

in chronological order

Area of employment or profession
Agriculture, horticulture and forestry
Israel
Petach Tikwa
Area of employment or profession
Hotel and gastronomy
Israel
Ramat Gan
Area of employment or profession
Textiles, fashion, leather
Israel
Area of employment or profession
Hotel and gastronomy
Israel
Tel Aviv
“Talks about” are particularly interesting sections of the interviews curated by the editors of Austrian Heritage Archive.
Fleeing from Austria and arrival in Palestine
School days in an abbey in Neusiedl am See
Correspondance with an acquaintance from Gols
Birthday wishes from Austria
Traveling to Vienna and Budapest after the war
Return to Gols and Vienna after the war

Teil 1

 

 

LSY: Interview am 17.04.2013 mit Rachel Gross, interviewt von Lisa Schulz-Yatsiv.

 

RG: Jetzt ist das gerade 75 Jahre…75 Jahre war das, am 20. April, dass wir weg sind. An Hitlers Geburtstag.

 

LSY: Ah, genau an Hitlers Geburtstag?

 

RG: Aber dieser Tag, das war ein…drei Tage früher. Damals sie sind gekommen, die Nazis…zu uns, um zwölf in der Nacht. Das war Pessach damals, der zweite Tag Pessach. Sie wissen, was Pessach ist? Und die haben gedroschen, um zwölf in der Nacht. Ich höre das noch heute, wie…und wir sind damals…alle haben schon geschlafen, gerade…kurz vorher. Wir sind dann alle zusammengekommen…und was macht man? Ich habe gesagt: „Ich werde aufmachen, die Tür! Ich will aufmachen.” Ich habe gedacht, ich mache auf, und man schießt und fertig. Ich habe nicht anders gerechnet. Oft war…wir haben gar nichts gehabt, kein…vorher. Aber ich habe das gewusst…von anderen Plätzen. Und ich habe aufgemacht. Es sind gestanden dort vier Männer. Zwei waren von Deutschland, das habe ich gleich gesehen. Auch an der Aussprache. Und zwei waren von…oder drei vielleicht…einer war von Gols, das weiß ich. Der hat mich auch gekannt, von der Schule. Der hat mir auch gesagt, nebenbei, ein bisschen später, dass…weil man hat gesagt, man nimmt…den Vater will man mitnehmen…hat er mir nachher gesagt, dass es drei Stunden dauern wird. Hat mich beruhigen wollen, irgendwie. Und daraufhin sind hereingekommen, und…es war schrecklich…furchtbar. Die Mutter…der Vater hat gezittert. Ich habe ihm gesagt: „Schau, du musst…du musst mitgehen. Geh auf alles ein, was sie sagen, was sie verlangen und schau…”

 

Was ich noch sagen will: In der Früh, er ist zu mir zurückgekommen, ungefähr nach drei Stunden. Wir haben uns dann hineingesetzt ins Zimmer, und auf die Uhr geschaut. Ungefähr drei Stunden waren es. Ich habe den anderen auch gesagt, dass er mir das gesagt hat. In der Früh war der Vater weiß – die Haare. Das heißt, nicht ganz, aber…ich habe das nicht geglaubt, dass es das gibt, wirklich. Da haben sie noch verlangt…meine Mutter hat gesagt: „Was wollen Sie von meinem Mann haben? Jeder hat ihn gern, und er ist…” Er war…mein Vater war so ein gerader Mensch. Er…hundert Prozent! Haben sie gleich gesagt, sie wollen ein Tuch für die Augen haben. Davon abgesehen ist es…es war keine…nichts Anderes zu machen. Man hat ihn weggenommen. Wir haben uns hereingesetzt, und auf die Uhr geguckt. Darauf ist er…man hat ihn mitgenommen in einen Keller. Und dort hat er unterschreiben müssen, dass wir auf…binnen drei Tagen das Land verlassen, und gar nichts mitnehmen…dass alles dort bleibt. Die drei Tage sind vergangen, und es ist gekommen ein Autobus. [Räuspert sich.] Er hat uns mitgenommen. Mein Vater hat noch bestellt gehabt…noch einen…wie heißt das? Ein…na, was Möbel nimmt!

 

LSY: Ein Lastwagen.

 

RG: Aus Wien ein Last…ja. Man hat gedacht, wir gehen vielleicht nach Wien. Wir waren sehr oft in Wien. Ich war auch in Wien in der Schule, jahrelang. Ich habe nur die Volksschule dort gemacht, und dann bin ich…war ich schon…zwei Kinder waren immer in Wien. [Räuspert sich.]

 

 

1/00:05:00

 

 

Das war doch gar nicht so weit von uns. Zu den Feiertagen, und zu…wenn frei war, sind wir immer nach Hause gefahren. Auf alle Fälle man hat uns dann weggeführt. Es waren…wir waren drei Familien dort…in dem Ort, drei jüdische.

 

LSY: Wie hieß der Ort?

 

RG: Gols. G.O.L.S. Da können Sie genau sehen alles. [Deutet auf die Dokumente vor ihr.] Sie sind mit uns mitgefahren, diese SA- und SS-Leute. Einer war ein sehr…immer geschrien mit allen, und gesagt: „Wenn ihr etwas habt…versteckt oder wie…” Ich habe Angst gehabt, ob nicht jemand etwas hat. Ich habe gewusst, von unserer Familie bestimmt nicht, aber von den anderen. Dann hätten wir auch Zorres gehabt. Wir sind…und wir haben…die Tante hat doch gesagt, wir sollen herüberkommen, in die Tschechoslowakei. Wir sind gekommen zu der…dort zu diesem Dreieck. Und wir sind hingegangen, und man hat gesagt…alles ist zugesperrt. Man kann nicht mehr herüber. Man hat keine Pläne gehabt. Man hat uns darauf dann gesagt: „Jetzt gehen wir zu Fuß weiter.“ Wir sind gegangen…hineingegangen in einen riesigen Wald. Das heißt, ich habe nicht gleich gesehen, dass es ein so großer Wald ist, und habe sicher gemeint, vielleicht wollen sie uns da umbringen, im Wald. Kein Mensch war dort, weit und breit. Und es war damals sehr kalt in der Nacht. Das war dann schon in der Nacht בינתיים [hebr.: inzwischen], vergangen…Zeit. Und sie sind mit uns gegangen, und die Leute haben angefangen Sachen wegzuschmeißen. Das heißt, man hat nur ein paar…was hat man gehabt? Man hat mitgenommen etwas zu trinken, und Mazzot haben wir mitgenommen, so wie in--

 

LSY: --so wie der Auszug aus Ägypten.

 

RG: Das war doch der fünfte Tag Pessach. Haben wir mitgenommen Mazzot, und so wie…irgendwas…Eier noch, oder was weiß ich. Die Leute haben angefangen wegzuschmeißen, es war ihnen schwer. Haben sie angefangen: „Nein, man muss das mitnehmen! Sie müssen das wieder aufheben.“ Sie haben nicht wollen, dass man sieht, dass jemand dort gegangen ist. Und auf einmal ist einer neben mir gegangen – der, der so schrecklich war. Ich bin gegangen mit meiner Schwester, die ganze Zeit. Wir sind zusammen gegangen. Und er hat sich…war neben mir, und hat gesagt: „Warum müsst ihr weggehen?” Und meine Schwester, die hat Angst gekriegt, die hat mich…hat mich links [Deutet auf ihren linken Arm.] …und er hat das gesehen. Hat er gesagt: „ אין דבר [kein Ding]“, ich soll nur erzählen! Und ich habe erzählt. Das war nur eine Kleinigkeit. Man hat…erst dann haben sie eine…etwas gesagt. Dass wer am Ende bei uns schuldig war, und…aber mein Vater zufällig hat ihm gegeben…andere haben sich auch…andere waren auch schuldig. Und dadurch war das scheinbar auch…ich weiß nicht. Auf alle Fälle hat er gesagt: „Na gut, alle Juden sind schlecht, aber es gibt auch gute.” [Räuspert sich.] Dann hat er…war er irgendwie besser. Er war…leichter zu den Menschen, von damals an. Dann sind wir noch eine Weile gegangen, und dann haben sie gesagt, טוב [hebr.: Gut] jetzt gehen sie zurück, und wir sollen weitergehen. Und wir sollen ja nicht zurückkommen. Das wird nicht gut sein. Das war alles in der Nacht schon. Wir sind gegangen, und gegangen, und gegangen, nach dem Mond. Nicht gewusst, wohin wir kommen. Es war dann…es ist ein bisschen hell geworden. Ganz wenig, man hat gesehen irgendein…wie ein Haus. Aber man hat noch nicht sicher gewusst, ob es ein Haus ist. Und da haben wir…das war ungefähr um fünf in der Früh.

 

 

1/00:10:01

 

 

Haben wir angefangen, schneller zu gehen. Man hat gemeint…ein einzelnes Haus ist dort gestanden. Und die sind…die Leute sind aufgestanden von ihren Betten, und haben uns hineinlegen lassen. Das war…wir waren so verfroren. Das war so gut, damals in das warme Bett hineinzugehen. Die waren schon gewöhnt, dass Leute gekommen sind…dass sie weglaufen, oder ich weiß… Daraufhin, in der Früh, ist gekommen Gendarmerie. Ah, inzwischen…das war in Ungarn schon. Wir sind…das war Ungarn. Das war an der Grenze. Und in der Früh ist gekommen ungarische Gendarmerie, und sie haben gesagt, sie führen uns zurück. Haben wir gesagt: „Wir gehen nicht zurück. Sie können uns erschießen, wenn Sie wollen, weil das wird uns sicher auch dort erwarten.”

 

Darauf…dann haben sie uns mitgenommen zu der Gendarmerie. [Deutet ein Gebäude an.] Man hat angefangen nachzudenken. Das heißt, nicht wir, sondern sie haben sich…beschlossen dort mit Menschen, mit der jüdischen Gemeinde in…das war Roi…das hat geheißen Rajka. Dort waren…und auch mit Sopron, mit…wie heißt das noch? Verschiedene Gemeinden. Haben sie beschlossen, was man machen soll, was man machen kann. Man hat gesagt, man wird nehmen ein Schiff, einen Schlepper. Und dort werden wir sein, auf der Donau. Wie lang? Man hat uns zwar gesagt, wir werden nach Frankreich fahren, aber wir sind nie dorthin gefahren. Die sind immer gestanden. Es ist nicht gefahren. Das war ein…Kohlenschlepper. Ich habe ein…den Namen auch. [Steht auf und holt etwas.]

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: Das hat geheißen…ist ein französischer Kohlenschlepper…Guillerme hat das geheißen. Der war sehr schmutzig. Wir haben uns da gewaschen, in einem Lavoir. Es war nicht anders…da ist es ganz schwarz geworden, das Wasser. Dann später haben wir…hat man getauscht, man hat einen griechischen Getreideschlepper gebracht. Und hat dort hineingeschmissen…Strohsäcke und…dort sind wir runtergegangen, über eine Leiter. Ich weiß nicht, wie die älteren Menschen haben runtergehen können, ich weiß gar nicht. Es waren Kinder dabei--

 

LSY: --wie viele Leute waren--

 

RG: --ja! Nicht nur das! רגע אחד [einen Moment]. Wir sind dort angekommen, bei der Donau, dort ist eine Gruppe gestanden, eine größere Gruppe. Und die haben schrecklich…die haben geweint, und sie waren…mit Decken waren sie umhüllt, und Kinder waren da, und alte Leute, und ich habe gemeint, das sind Zigeuner oder was, ich weiß nicht. Und es sind schon andere Menschen gekommen, auch von draußen, schauen, was sich tut, und sie haben diese Leute beruhigt. Die waren schon drei Tage unterwegs. Man hat sie immer zurück…jeden Tag zurückgenommen, und die haben sie wieder herausgeschmissen. Die waren schon ganz erledigt. Und in der…es war, damals in dieser Zeit…war sehr kalt, das heißt in den…die Nächte. Und die haben…waren in einem schrecklichen Zustand. Die haben mir so leidgetan, und wenn sie zu mir etwas gesagt haben, habe ich gesagt: „Die armen Menschen…macht mit den armen Menschen hier! Wir brauchen nichts.” Ich habe überhaupt nicht verstanden, was sich tut. Ich habe nur Mitleid gehabt mit den anderen, aber ich selbst habe gar nicht gedacht: „Ich bin dieselbe.“

 

Da hat man uns dann herunter… Und darauf, nach einigen Tagen, sind gekommen schon Ratten auch…Wasserratten…ins Schiff, in der Nacht…nur in der Nacht. Darauf das hat… [Nimmt einen Zettel vom Tisch.] Das war bei…auf der Donau bei Rajka, das heißt, im Niemandsland war das, kann man sagen. Es sind immer Schiffe vorbeigefahren. Ich bin sicher, sie sind auch aus unserem Ort gefahren, und sie haben uns gesehen, war ganz sicher. [Nimmt einen Zettel zur Hand.] Aber ich habe noch ein bisschen da geschrieben. Ich habe gedacht, ich brauche das, aber… [Liest.]

 

 

1/00:15:09

 

 

Das war der 20. April, wie man uns weghat. Das war an Hitlers Geburtstag. Damals hat man…er hat bekommen…das war ein Geschenk für ihn, er…man hat judenrein gemacht, das ganze Burgenland. Vielleicht haben Sie das…diese Sachen schon gehört auch. Sicher. An dem Tag hat man uns auch weg…das war…ich sage immer, der 20. April, das muss man wissen…jeder muss wissen, das war Hitlers Geburtstag.

 

LSY: Auf dem Schlepper: waren das alles Juden aus dem Burgenland?

 

RG: Die waren alle vom Burgenland. Aber nicht von unserem Ort, von anderen Orten noch. Wir waren dann…wir selbst waren vierzehn, oder sechzehn Personen. Ich habe die…irgendwo die Dings…ich weiß nicht. Von drei Familien. Wir waren sechs Personen. Ich habe vier Geschwister. Wir waren vier Geschwister, und die Eltern. Die anderen Familien haben…die waren auch…die einen waren auch sechs, glaube ich, und die anderen waren vier. So irgendwie. Die waren viel mehr, die von…die anderen, die dort gestanden sind.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: Was habe ich da noch geschrieben? [Liest den Zettel und legt ihn beiseite.] In der Früh…wir sind dann schlafen gegangen mit der Kleidung, wie wir waren. Decken hat man auch heruntergeschmissen. Und in der Früh sind wieder Menschen gekommen, und haben gebracht verschiedene Sachen. Frühstück hat man auch gebracht, mit einem Pferdewagen von diesem Ort, von Rajka. Der ist immer wieder gekommen, der…diese ganzen Monate. Wir waren dort fünfeinhalb Monate. Wie man, in der Früh…wie man hat…die Leute dort, die…das alles, das war schrecklich, die ganze Sache. Die haben mir so leidgetan, diese Leute mit den kleinen Kindern, und mit den alten Menschen. Ich war damals 22 Jahre alt. Dort bin ich geboren…dort habe ich Geburtstag gehabt, im August. War ich 23. Da hat man mir auch etwas geben wollen. Ich hatte doch…und ich habe gesagt, ja…und damals, dann habe ich es plötzlich…habe ich gedacht, dass…habe ich plötzlich gewusst: „Ich bin dieselbe Sache.“ Habe ich einen Weinkrampf bekommen, dass ich genommen habe die Decke…habe ich genommen, habe ich reingebissen. Ich habe nicht schreien wollen. Ich habe mich dann…beruhigt, und dann habe ich immer geholfen. Alles. Dann war alles…dann war es schon בסדר [in Ordnung].

 

Aber heute…ich sehe alles noch genau vor mir, als ob es gestern gewesen wäre. Jede Sache. Und es waren…verschiedene Sachen dort. Alle möglichen. Unter anderem war da auch mit mir etwas. Wir haben später…das heißt, wir haben gehabt…waren dort mit Gendarmerie. Wir haben nicht…wir hätten nicht wegkönnen…ich meine, keiner weglaufen oder was. Man hat ja auch nicht gewusst wohin. Dann später…es ist schon geworden Juni, Juli. Schon wärmer gewesen, das Wetter…und man war auch schon besser bekannt mit der Gendarmerie. Man hat baden gehen können, in der Donau. Wir sind eine kleine Gruppe…waren wir. Haben wir uns hingesetzt dort, und…wir waren schon im Badeanzug. Das heißt, diese Sachen, Badeanzug, Wassersachen…wenn wir etwas gebraucht haben, haben wir – telefoniert sage ich. Wo hat man telefoniert? [Lacht.] Geschrieben, oder ich weiß schon nicht mehr, was man gemacht hat, oder wir haben mitgegeben das für die…der, der gebracht hat das Essen. Scheinbar, der hat das aufgegeben. Für die Tante, und für die…wir haben dort noch mehr Verwandte gehabt. Sie haben uns Kleidung geschickt,  und verschiedene Sachen. Und auch den Badeanzug.

 

 

1/00:20:08

 

 

Wir haben doch nicht mitgenommen, solche Sachen. Wie wir dort…wir sind dort gesessen, und auf einmal haben wir gehört, einer hat geschrien: „Hilfe! Hilfe!” Ich habe runter den Dings, und bin reingesprungen ins Wasser, ohne nachzudenken. Ich war immer so. Und bin geschwommen nach der…so wie ich…die ganze Zeit hat er geschrien: „Hilfe! Hilfe!” So schrecklich. Und ich bin bis hin geschwommen, und dann habe ich gesehen, er hat gehalten einen Mann. Aber ich habe ihn nicht gesehen im Gesicht, er hat den Kopf gehalten. Und der war verkehrt. Aber immer hat er noch geschrien: „Hilfe! Hilfe!”. Er war überhaupt ganz verrückt. Ich habe nicht gewusst, dass…der Mann war schon tot. Er hat einen Herzanfall bekommen. Aber ich habe es nicht gewusst. Ich habe ihm gesagt: „Ich werde ihn jetzt halten. Gib ihn mir, ich werde ihn halten. Und du schwimm heraus.” Weil er hat…er hat nicht aufgehört zu schreien. Und ich habe ihn gehalten. Ich habe ihn nicht gesehen, ich habe ihn auch verkehrt gehabt, den Kopf. [Deutet mit den Händen an ihr Kinn.]

 

Und auf einmal war er mir sehr schwer. Ich habe schon nicht halten können. Ich habe ihn ausgelassen. Nach kurzer Zeit hat man mir gepackt, meine Füße, und hinuntergezogen. Dann später habe ich gesehen, dass der herausschwimmt. Nicht der, den ich gehalten habe, sondern der andere. Er ist irgendwie herausgeschwommen, hat immer noch geschrien. Und dann…und ich habe geglaubt, dass der hat mich gepackt, den ich ausgelassen habe, aber ich habe nicht gewusst, dass er tot war. Er, der hat sich…durch mich…hat er können heraus, unter Wasser. Und dann habe ich…ich habe immer gemeint, der wird mich wieder packen, und hinunterziehen. Dann habe ich versucht herauszuschwimmen, und dann habe ich erst gesehen, dass da ein Strudel ist. Ich habe nicht gewusst. שאת יודעת מה זה [Dass du weißt, was das ist].

 

LSY: כן כן [Ja, ja].

 

RG: Ich habe probiert noch einmal, und noch einmal, es ist nicht gegangen, ich bin zurück. Ich habe es aufgegeben…habe gewusst, ich kann nicht heraus.

 

Wie ich herausgekommen bin, weiß ich nicht. Das war auch viel später erst. Die Leute haben…mich gesehen, von Weitem. Es war Hochwasser, damals, und sie haben gesagt, ich bin gesessen, auf dem Wasser. Ich bin richtig gesessen, auf dem Wasser. Wie ich herausgekommen bin, habe ich keine Ahnung. Ich bin irgendwie ganz weit weg, bin ich auf einmal draußen gewesen. Ich war…ganz fertig. Ich habe geglaubt…ich habe es schon aufgegeben gehabt. Ich habe nicht geglaubt, dass ich herauskomme von dort. Noch heute denke ich nach: Wie bin ich herausgekommen? Den nächsten Tag hat man gefunden den…der da…er ist nicht ertrunken, er hatte ein Herz…der war von der Gendarmerie, haben sie gesagt. Es sind gekommen zwei…zwei von der Gendarmerie, und haben mir Blumen gebracht, und dann einen Zettel, dass ich kann hinausgehen auf zwei Tage. Meine Eltern hat man inzwischen…das war schon nach Wochen…im Juli. Die Eltern waren in dem Ort, in Rajka, weil die Mutter ist sehr krank geworden, und man hat gesagt, sie kann nicht dort sein, sie ist…im Wasser…das heißt, nicht gesund, diese ganze… Sie…dass jemand soll…muss von den Kindern…soll mitgehen, und wir haben gesagt, es soll der Vater mitgehen. Das war doch viel besser. Haben wir gewusst, die Eltern sind wenigstens auf einem guten Platz. Bei sehr netten Leuten waren sie, sehr nette…waren so gute Menschen. Ich weiß nicht, was mit denen geschehen ist. Ich bin reingekommen, dort, haben die Eltern gesagt, sie haben gelesen in der Zeitung, dass ein…das, was passiert ist. Ein Mädel hat…hat retten wollen, und der andere hat sich gerettet durch sie. Haben sie gleich gesagt, dass ich…das bin ich, sicher. Weil ich habe immer…ich habe keine Angst gehabt, vor nichts. Ich habe solche Sachen gemacht, und meine Geschwister nicht. Ich war dann die…alle haben mich beneidet, ich gehe raus auf zwei Tage, das war ein…Haupttreffer.

 

 

1/00:25:27

 

 

Man ist gekommen…damals war das die…eine Sensation, überhaupt…diese Sache, wie wir dort waren. Sowas war noch nicht…aber später ist noch alles viel ärger geworden. Wir sind noch im letzten Moment, im Winter, rausgekommen. Wir sind…am 1. Oktober sind wir hier angekommen. Man hat…wir sind dann nach Rumänien gefahren. In Rumänien, dort haben wir uns eingeschifft. Aber wir mussten dort noch warten, zwei Tage. Ich weiß noch, man hat uns in eine Schule reingetan. Ich habe dort ein Klavier gesehen. Ich bin geradeaus hingegangen, habe angefangen zu spielen. Das war das letzte Mal, dass ich gespielt habe. Ich habe so gut gespielt, und ich habe so gerne gespielt. Ich weiß nicht mehr, was ich gespielt habe, aber ich habe gespielt. Und da ist hingekommen eine Frau, und hat gesagt… [Hebt einen Zettel auf.] Es sind mehrere gekommen, die Leute mitgenommen haben, zum Schlafen, diese zwei Nächte. Und die hat gesagt, sie will mich mitnehmen. Habe ich gesagt: „Gut, aber vielleicht auch meine Schwester“. Ich war die ganze Zeit mit ihr zusammen. Die war eine sehr, sehr nette Familie gewesen. Und wir haben uns dann eingeschifft, und sind gefahren eine…normal gefahren, eine Woche. Am 1. Oktober sind wir angelangt…1. Oktober [19]38. Damals war gerade ein Kamsin, und ich…wir waren schon warm angezogen. Ich habe nicht gewusst, was mit mir los ist. [Lacht.] Aber man hat mir den Koffer aufgemacht, dort, und ich habe mir was Leichteres anziehen können. Dort in…ah, inzwischen sind wir dort ins…in ein Betolim hat man uns gebracht. Für die…für eine Nacht war das nur. Wir sind…und man hat gesagt: „Es ist alles voll, es ist kein Platz.” Dann hat man zusammengelegt. Mich hat man mit einem jungen Mädel zusammen in ein Bett gelegt. Wir haben stundenlang gesprochen. Wir haben uns nicht gesehen, weil es war finster. Sie war aus Deutschland. Und sie ist gegangen in einen Kibbuz. Um fünf in der Früh sind sie schon weggegangen, eine Gruppe. Und ich habe keine Ahnung, wie sie ausgeschaut hat. Wir haben nur…sie ist ein sehr nettes Mädel…so hat sie gesprochen.

 

Dann hat man…sind wir…nach einigen Tagen hat man gesagt, dass wir nach Petach Tikwa fahren sollen, um zu arbeiten. Es ist ja dann…es war damals die Orangen-Saison. Der…Katif heißt das. Und darauf…man hat uns eingeteilt, dort, und ich habe angefangen, das zu machen. Ich habe das so gerne gemacht. Jede Sache, die ich gemacht habe, habe ich gerne gemacht. Und dann war ich so schnell. Einmal ist einer gekommen, hat er gesagt…„Fräulein”, hat er mir אפילו [sogar] gesagt. „Fräulein, Fräulein“, hat er gesagt…ich weiß schon nicht mehr. „Das sind keine Steine”, hat er gesagt. Ich habe das so hineingeschmissen. [Lacht.] So schnell. Ich habe alles schnell gemacht. טוב  [Gut]…das ist auch zu Ende gegangen. Und dann hat man gesagt: „Will jemand arbeiten bei…” Wie heißt das schon wieder? Nein, ich weiß jetzt nicht, wie das heißt. Ich habe nicht gewusst, was es ist, aber ich habe gesagt: „Ich will.” Ich habe zu jeder Sache gesagt: „Ja”. Das war eine…da hat man…man hat geklebt, bei einem Baum, und man hat die Dings freigemacht, die Wurzeln.

 

LSY: Wurzeln.

 

 

1/00:30:00

 

 

RG: Jeder hat bekommen eine Reihe. Alle sind schon ganz weit gewesen, und ich bin immer noch gewesen bei dem Baum. Und ich habe gedacht: „Wieso, warum kann ich das nicht machen?” Man hat mir etwas gegeben, mit was man das macht, aber ich habe keine Ahnung gehabt. Ich bin…sie sind zurückgekommen, in meine Reihe, und haben mir meine gemacht. Das hat mich so…ich habe fast geweint. Habe mir gedacht: „Wieso kann ich das nicht machen? Ich muss es können!” Und dann auf einmal habe ich es selbst können. [Beide lachen.] Doch das ist auch vorbeigegangen, und inzwischen…ich habe immer Briefe geschrieben. Damals hat man noch schreiben können, ins Ausland. [Räuspert sich.] Ich bin je…damals waren wir in Petach Tikwa…und ich bin jeden Tag zur Post gegangen, und habe aufgegeben…die Briefe. Auf einmal habe ich gehört…hat jemand gerufen: „Es wird jetzt eine Pension eröffnet in Ramat Gan, in einigen Tagen, und wenn jemand das machen will…diese Sache, soll sich melden.“ Ich habe das gehört, bin hingelaufen, und habe gesagt: „Ich will es machen!” Ich habe keine Ahnung gehabt, was das ist, wo das ist, wie. Das war direkt…das war wie ein Haupttreffer, diese Sache. Das war…ich habe Glück gehabt bei jeder Sache, kann man sagen.

 

Ich bin…er hat mir gegeben die Adresse, ich bin den nächsten Tag hingefahren, und…vier Uhr Nachmittag…und die haben mich schon gar nicht mehr weglassen wollen. Ich soll schon dort bleiben. Habe ich gesagt: „Nein, ich kann nicht. Ich habe die Eltern, die Geschwister, die sind in Petach Tikwa.” Damals war noch kein Telefon, kein…nix [nichts] war. „Und ich fahre jetzt zurück”, habe ich gesagt, „und morgen komme ich.” Und so war es, und ich war dann ein paar Jahre dort.

 

Die waren so nette Leute! So außergewöhnlich, ich war wie die Tochter. Sie haben gehabt eine Tochter, und einen Sohn. Der Sohn war zwölf Jahre alt, und die Tochter war ein paar Jahre jünger als ich. Wir haben zusammengearbeitet, wir haben zusammen geschlafen, in einem Zimmer. Und am Abend habe ich müssen sein mit den Gästen, draußen. Mich hinlegen in den Liegestuhl. Die waren außergewöhnlich, diese Leute. Und sie haben mir einen Geburtstag gemacht. Ich bin jede Woche nach Hause gefahren. Und habe das ganze Geld, das ich bekommen habe, habe ich alles den Eltern gegeben. Ich habe nur zurückbehalten für die Fahrt. Eines Tages bin ich ein bisschen später eingestiegen, und ich habe mich gewun…ich weiß nicht, wieso es später war. Mein Vater hat mich immer begleitet. Ich bin eingestiegen, und er hat angefangen zu fahren. Und ich gebe das Geld hin, und er sagt: „Aber jetzt kostet es ein paar Piaster…ein paar Millime mehr.” Es war kein großer…ganz wenig. Um sieben Uhr Abend, von damals an, war etwas mehr. Aber ich habe das nicht gewusst. Und ich habe nicht gewusst. Um Gottes willen! Ich habe nicht…ich habe gar nichts bei mir gehabt. Ich habe das ganze immer hergegeben.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Und eine Frau hat das gesehen…ist sie aufgesprungen, sagt sie: „Hier, ist…“ Hat sie mir…sage ich: „Aber wie werde ich dir das zurückgeben?” Sagt sie: „Wirst mir schon zurückgeben.” Ich habe sie nie im Leben wieder gesehen. Das war…Millime war das…kein Dings. Von damals an habe ich mir mehr zurückbehalten. [Beide lachen.]

 

Ja, ich war dort ein paar Jahre. Dann hat sich die eine, die das geleitet hat…diese Dings. Die hat sich zerstritten mit denen…mit den Leuten dort. Und sie hat weggehen müssen, und sie hat mir gesagt, ich soll doch mit ihr kommen. Sie wird ein…Sie wird jetzt ein Kaffeehaus eröffnen, auch in Ramat Gan, und ich kann dort mehr bekommen, mehr Gehalt. Ich habe nicht gewusst, was ich machen soll. Ich habe…die waren so nett zu mir. Und ich habe…das Gefühl gehabt, dass ich es nicht gut mache, wenn ich weggehe. Aber wenn man mehr Geld bekommt…denn damals war das eine große Sache, weil die Eltern haben nichts gehabt, und die Geschwister waren auch…zwei haben lange Zeit keine Arbeit gehabt.

 

 

1/00:35:04

 

 

Dann hat sie so viel auf mich eingeredet, so viel…und dann habe ich zugesagt. Und bin weggegangen. Dort habe ich meinen Mann kennengelernt, in dem Kaffeehaus. Dort habe ich…ich habe in Wien einen Kurs, einen Backkurs gemacht, noch vorher. Das war noch ein…ein paar Jahre früher noch. Ich habe sehr gut backen können. Dort habe ich alle Sachen gebacken, in dem Kaffeehaus. Die haben gar nichts gekauft – alles ich. Man war so zufrieden und…so Dings. Und naja, ich habe dort meinen Mann kennengelernt, es war…inzwischen war der Krieg schon. Der Krieg war schon ausgebrochen, als ich noch war in…am anderen Platz. Darauf haben wir dann…wir haben geheiratet.

 

LSY: Woher kam Ihr Mann?

 

RG: Er war aus Ungarn. Ein sehr netter Mensch. Er hat gesagt…er war mit einem Chaver, der mich gekannt hat. Der auch. Und er hat gesagt, dass der…er will nur eine Burgenländerin. [Lacht.] Seine Mutter war auch eine Burgenländerin. Er war ein sehr netter Mensch, und er hat eine sehr gute Arbeit gehabt, in einem…in einem Hotel. Damals waren noch nicht diese Hotels, die jetzt sind. Es war eine…ich weiß auch nicht mehr, wie es geheißen hat. Ist schon 75 Jahre her. Da kann man schon vergessen. Wenn wir…wir haben geheiratet, wir haben die Hochzeit gemacht…selbst alles gemacht. Ich habe gebacken, und er hat die Liköre gemacht. Und wir haben die…man hat die…ausgeräumt eine Wohnung dort, von die…von seiner Schwester, von meinem Mann, die Schwester. Das heißt, dort waren zwei Zimmer, und man hat eines…ein Zimmer freigemacht. Dort war die Hochzeit. Und das war sehr, sehr nett. Ich habe…Bilder da noch…von allen Sachen. Dann hat er mir…wir haben dann gewohnt, in Tel Aviv, eineinhalb Jahre. Bei einer Frau, die das Kaffeehaus damals aufgemacht hat. Das war eine…von einem Professor die Frau. Die hat gehabt zwei Töchter. Der Mann hat da schon nicht gelebt, und sie hat gehabt…sie hat gesagt, ich soll doch…wir sollen doch kommen, zu ihr wohnen, aber nur bis…bis ein Baby kommt. [Beide lachen.] Das war sehr, sehr nett dort. Man hat mit diesen… Ja, da war die Hochzeit, und dann sind wir noch auf Hochzeitsreise gefahren, nach… [Denkt nach.] Tiberias. Und das war בדיוק  [genau], da haben die Hoch…die Glocken geläutet. Es war Weihnachten. Wir haben am 22. Geheiratet, und wir waren dort ein paar Tage. 22. Dezember. Wir sind zurückgekommen, und haben noch Gäste gehabt, aber man hat nur gegeben Kekse, und solche Sachen…und Obst.

 

Das war alles sehr gut. Und mein Mann hat gesagt: „Jetzt brauchst du nicht mehr arbeiten.” Er hat sehr schön verdient, dort. Und ich bin…ich war gewöhnt zu arbeiten. [Lacht.] Und ich bin jeden Tag…bin ich nach Hause gefahren zu den Eltern. Dann auf einmal habe ich mir gedacht: „Das ist doch keine Sache. Ich will etwas machen!” Ich habe gefunden eine Arbeit…eine, wo man Handtaschen macht, aus Leder. Und diese Frau war aus Wien, und die hat auch kurze Zeit vorher geheiratet. Wir waren…sind Freundinnen geworden, richtig. Ich habe dort angefangen zu arbeiten. Das heißt, ich habe keine Ahnung gehabt, aber ich habe langsam erlernt. Und später habe ich schon sogar die Sachen zugeschnitten. Und…darauf…inzwischen war ich schon schwanger, inzwischen ist schon die Zeit vergangen, und ich bin…weggegangen, von dort. Und habe eine Tochter geboren.

 

 

1/00:40:00

 

 

Ja, inzwischen habe ich meinem Mann…vorher noch…habe ich ihm zugeredet, er soll weggehen von dieser Arbeit. Das war eine sehr gute Arbeit, und er hat sehr schön verdient, aber er war sehr, sehr…begabt. Ich habe gesehen, er ist…ich habe ihm gesagt: „Du kannst dich selbstständig machen, und ich werde dir helfen.“ Ich habe auch gekannt, alle die Sachen. Aber es ist…es hat am Anfang nicht so geklappt, und es hat mir schon leidgetan. Aber es ist irgendwie immer gegangen, und dann auf einmal ist es…man hat ihn gesucht schon, weiß nicht wie, weil man hat ihn gekannt, noch von dem Hotel auch. Und dann auf einmal ist es hinaufgegangen alles.

 

LSY: Er hat dann selbst ein Hotel eröffnet, oder?

 

RG: Nein, in einen…ein Lokal. Ein Lokal, was er…dort hat er bezahlt. Und das war sehr gut. Er hat dort Hochzeiten gemacht, und…und Bar-Mizwa, und verschiedene Sachen. Sehr viele Sachen. Er ist sehr bekannt geworden. Ich habe da alle Sachen…könnten Sie sehen. Und ich habe auch einen…ah, damals…ich weiß schon nicht mehr, ob das vor der Geburt war, oder nach. [Lacht.] Auf alle Fälle, ich habe ganz am Anfang…habe ich auch geholfen. Und dann später habe ich schon nicht mehr können, aber er hat dann Angestellte gehabt. Das heißt, dass…es war so bekannt damals…dieses…er mit der ganzen Sache, hat das sehr gut gemacht. Aber ich bin trotzdem öfter hereingefahren. Aber vorher waren wir noch…waren wir auf einem anderen Platz, vor dem. Er hat dort gefragt, ob er ein…ob man das machen darf. Und er hat gesagt: „Ja“, und er hat aber nicht gehabt. Da ist einmal die Polizei gekommen, und hat zugemacht. Das war ein anderes…eine ganz andere Sache noch. Und damals war ich schon…damals habe ich schon das Baby gehabt. Ich bin dann…dorthin bin ich immer mitgefahren…und dann das Kind niedergelegt, und… Wir haben bei den Eltern gewohnt, so dass sie haben aufgepasst. Und wenn ich nach Hause gekommen bin, ist das Kind immer aufgewacht, und hat geweint. Und eines Tages habe ich sie genommen – ich habe nicht wollen, dass sie stört die Eltern – und habe sie neben mich gelegt. Und ich bin eingeschlafen. Sie ist dann runtergefallen vom Bett. Sie hat schrecklich geschrien, und meine Eltern sind gekommen. „Das geht nicht weiter so”, haben sie gesagt, „Du darfst nicht weggehen! Du darfst nicht helfen gehen.” Und diese Sache…später war das schon nicht mehr lange, hat man das zugemacht. Dann war es ein bisschen schwer. Aber dann hat man ihn schon gesucht. Dann ist es bergauf gegangen. Das war dann… Er merkt, es war…ich habe gewusst, es muss so sein, weil er war sehr tüchtig.

 

LSY: Das war auch in Ramat Gan?

 

RG: Das war in Tel Aviv. Dann später hat er genommen noch das בית הרופא [die Arztpraxis]. Und das erste war…das war ein paar Jahre, dann sind wir von dem schon weg, und בית הרופא [die Arztpraxis], und eine andere Sache, eine…Lilit hat es geheißen. Und ins Lilit sind wir dann später immer herein…bin ich mitgefahren, immer am Nachmittag. Da habe ich dann schon eine Frau gehabt zu meiner Mutter. Ich habe gesagt, ich habe immer eine Mutter gehabt. [Richtet etwas am Tisch.]

 

Ah, ich bin immer…Nachmittag bin ich reingefahren, ins Büro. Es war nicht jeden Tag etwas…ich meine, Hochzeiten oder so. Aber es waren immer wieder…und dort ist man gekommen bestellen. Ich bin immer mitgefahren, und eine Zeit lang auch mit der Mutter, und dann später habe ich genommen eine Frau für die Mutter, für Nachmittags. Darauf…so ist das gegangen, ich weiß…ich kann nicht jede einzelne Sache…

 

 

1/00:45:28

 

 

Ende von Teil 1

 

 

Teil 2

 

 

LSY: Können Sie mir noch ein bisschen erzählen von bevor Sie nach Israel gekommen sind, wie das damals im Burgenland war? Gab es da in Ihrem Ort eine jüdische Gemeinde? Wie hat man dort gelebt?

 

RG: Es war dort, in dem Ort…drei Viertel waren evangelisch, und ein Viertel katholisch. Damals haben sie sich nicht verstanden. Die haben sich gehasst. Und jetzt sind sie sehr gut miteinander…alles בסדר [in Ordnung]. Ich habe da Briefe von einer Frau, mit der ich korrespondieren kann…können Sie sehen, wie sie schreibt, sie betet für Israel. Jedes Mal schreibt sie das. Und die ist 100 Prozent in Ordnung, das weiß ich. Ich bin nicht…ich bin viel Rad gefahren, auch dort…auch in andere Orte. Ich habe keine…nie Angst gehabt. Ich meine, ich bin gefahren…es waren Orte, wo inzwischen frei war, wo gar nichts war. Ich bin gefahren…ich bin immer…ich habe nie Angst gehabt, vor nichts. Und--

 

LSY: --und wo sind Sie zur Schule gegangen?

 

RG: In die Schule bin ich gegangen, fünf Jahre. Die ersten fünf Jahre Volksschule.

 

LSY: In dem Ort?

 

RG: In der evangelischen Schule. [Nickt.] Dann bin ich schon nach Wien gekommen. In Wien war ich…hat man mir gesagt, ich…wenn ich etwas nicht weiß…wenn ich nicht weiß, wo ich wohne, oder irgendwie…ich war noch…damals war ich elf Jahre alt…dann soll ich nicht Leute fragen, sondern nur einen Polizisten, einen Wachmann. [Lacht.] Und ich weiß, ich bin das erste Mal nach Hause gekommen, und ich habe gedacht: „Oh, ich weiß das sowieso“, und inzwischen habe ich nicht gewusst. Ich bin ringsherum gegangen, die ganze Zeit. Ich habe gewusst, ich bin ganz in der Nähe, aber ich habe nicht…ich habe mich…da habe ich dann einen Wachmann gefragt, hat er gesagt: „Das ist doch da.” [Lacht.] Es war gemerkt, es war richtig dort, nur ich…irgendeine Dings habe ich nicht…war alles schon in Ordnung.

 

LSY: In Wien sind Sie dann auf eine jüdische Schule?

 

RG: Nein, eine allgemeine Schule.

 

LSY: Hatten Sie auch immer viele nicht jüdische Freunde in Ihrer Kindheit?

 

RG: Oh ja! Ich war sehr gut mit denen. Ich habe auch in Gols sehr gute Freunde gehabt. Ich habe da auch Briefe von ihnen. [Deutet auf etwas.]

 

LSY: Sie haben auch danach noch Kontakt gehabt?

 

RG: Ja. [Überlegt.] Da war…da war eine, die…ich war auch zum Beispiel…ein Jahr war ich auch in einem Kloster. Nicht…ich war nicht dort, ich bin jeden Tag hingefahren. Das war in Neusiedl [am See], und das…ich weiß nicht, ob Sie kennen?

 

LSY: Ja, kenne ich.

 

RG: Von Gols nach Neusiedl mit dem Autobus. Und…da waren wir zwei Jüdinnen…ich, und eine von Frauenkirchen, und die evangelische. Die anderen waren alle Katholiken. Die waren sehr nett zu uns allen…immer. Und ich weiß noch, die…in der Pause sind wir herausgelaufen, und…wie Kinder. Wir waren…das war in der… רגע אחד [einen Moment]…das war…ein Kloster war das. Das heißt, das war schon nach der Volksschule. Ich war…ich weiß nicht, ein Jahr oder zwei Jahre war ich in Wien, und dann bin ich im Kloster gewesen, ein Jahr, und dann wieder in Wien.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: Ah, vom Kloster, ja. Da sind wir von der Pause rausgegangen, und es hat geläutet, dass man hinein…schon hineingeht. Und die Kinder fangen an zu laufen. Und die zweite, dieses zweite Mädel von Frauenkirchen, die war die erste, und sie ist gelaufen, und sie ist reingelaufen und hat die Tür aufgeschlagen, und der Jesus ist heruntergefallen und zerbrochen. Und das war…sie war so aufgeregt. Ich auch…mich hat es auch schrecklich… „Ich will…kaufen einen neuen”, hat sie gesagt. Man hat sie dann beruhigt. Sie hat es doch nicht direkt gemacht, aber das war schrecklich unangenehm. [Lacht.]

 

 

2/00:05:08

 

 

Das ist noch so ein Beispiel. [Lacht.] Und dort haben wir auch gute Freunde gehabt. Da war ich ein Jahr.

 

LSY: Und da war Ihre--

 

RG: --ah ja, und am Samstag haben wir auch dort sein müssen. Das…haben wir dort gewohnt in einer…bei einer Familie, in einem Haus. Haben wir gehabt…es waren auch…ein paar Jungens waren auch…die haben ein Zimmer gehabt, und wir haben ein Zimmer gehabt. So war das ein Jahr…ja, ein Jahr lang. Im Winter, wenn es verschneit war, hat man uns geschickt einen…Schlitten, und das war…ich habe es immer haben wollen. Das habe ich so gerne gehabt. Herrlich war das: Schlitten mit Pferden. Man hat uns mitgeschickt schon…so warme Sachen…die Eltern. Dann sind wir nach Hause gekommen, und haben wir gleich etwas Warmes getrunken. Und das hat so schön geläutet. Das war herrlich. Ich habe überhaupt den Winter sehr gern gehabt. Ich bin heraus…wenn so ein Schneetreiben war…bin ich hinaus, gut angezogen, und habe mich lassen an… [Lacht.] So windig, ja…und Dings. Ich habe…solche außergewöhnlichen Sachen habe ich gerne gehabt.

 

LSY: Und war Ihre Familie in dem Ort dort…gut verankert…befreundet mit allen Menschen?

 

RG: Was für Sachen?

 

LSY: Sie waren ja nur drei jüdische Familien in dem Ort, oder?

 

RG: Mit denen bin ich nicht so viel zusammengekommen. Nur Sabbat hat man dort gebetet, manchmal…oder fast jedes Mal.

 

LSY: Hatten Sie eine Synagoge dort?

 

RG: Nein, das war in einem Haus…hat man gehabt…eine Dings… Und dort hat man gebetet. Man hat noch geholt zwei Jungens, weil es war nicht genug, es müssen zehn…zehn Männer sein. [Räuspert sich.] Die hat man bezahlt, und die haben auch dort gewohnt. Das war alles…wie soll ich sagen? Sehr…selbstverständlich, damals. Heute ist der Ort ganz, ganz anders. So modern. Gols. Nicht zu glauben! Außergewöhnlich. Die schönsten Sachen haben sie, die modernsten Sachen, die…zum Beispiel die…man hat mich…eine Nachbarin, die war…mit der war ich auch immer gut. Die hat gesagt, ich muss mitkommen zu ihr. Sie will mir zeigen ihre Wohnung. Sie hat gehabt…unglaublich…sie war so ein…Bauerndings war sie. Und sie war plötzlich…hat sie moderne Sachen gehabt…alles. [Lacht.] Schön. Ich habe mich sehr gefreut damals, mit alle…ich muss unbedingt Ihnen einen Brief zeigen, was man da schreibt. [Steht auf und holt Briefe.]

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: [Sucht einen Brief, findet ihn jedoch nicht.] Ich kann Ihnen irgendeinen vorlesen.

 

LSY: Gerne, ja.

 

RG: „Liebe Frau Rosi…” – sie heißt Resi und ich heiße Rosi. Sonst heißt man…ich heiße Rachel jetzt. Rosi und Rachel.

 

LSY: Davor hießen Sie Rosi?

 

RG: Rachel Rosi. [Liest vor.] „Wenn ich unter meiner Post Ihren Brief im Licht erblicke, dann löst es in mir immer…bei mir einen Freudenschrei aus. Ich freue mich so, dass unsere Verbindung noch sein darf. Wir haben viel Ursache zu danken. Wir können noch denken, uns bewegen…” – Sie ist jünger ein paar Jahre, als ich. Ich habe ihre Mutter gut gekannt auch.  „Und keinen Mangel an…im Altenheim bei Ihnen, da gibt es viele Möglichkeiten, älteren Menschen Freude zu bereiten. So vielfältig ist in Gols das Angebot im Altenheim nicht. Es ist ein schönes Neu…ein schöner Neubau für circa 50 Personen, die betreut werden können. Es werden Vorlesungen und Singen angeboten, im Sommer auch kleine Ausflüge. Der 20. April…” – ach, ich habe geschrieben, grad [gerade] damals auch. Schreibt sie: „…war für Sie gewiss der schwerste in Ihren jungen Jahren. Ich erinnere mich noch immer, dass meine Mutter sagte: ‚Die armen jüdischen Familien!‘” Die Mutter war eine sehr nette Frau auch.

 

 

2/00:10:07

 

 

„Es tat ihr leid um Euch, und gewiss gab es auch andere, denn diese Vertreibung musste…missfiel…“ – dass es ihnen missfiel. „…dass Ihre Familie beisammenbleiben durfte, war Gottes gnädige Bewahrung. Im Namen unseres Dorfes bitte ich Sie um Verzeihung für allen Undank, den Sie ernten mussten. Beim Bau des Kriegerdenkmals erinnerte man sich sehr wohl an Ihre beiden Onkel, Bernhard Brock und Jakob Brock, die im Krieg gefallen sind.” Es sind damals zwei Brüder von meinem Vater gefallen.

 

LSY: Im Ersten Weltkrieg?

 

RG: Im Ersten Weltkrieg. [Liest weiter.] „Leider fielen in beiden Kriegen sehr, sehr viele Männer, und junge Burschen.” Und der Zweite Krieg war doch viel ärger. „Unser Herr sei allein…allen ein gnädiger und barmherziger Richter. In unserem Dorf geht es wie immer. Weingärten werden gepflanzt, und ge…ich weiß, es gibt reichlich, und auch Missernten, und auch Frosteismänner im Mai. Mein junger Sohn ist Weinbauer und er…” Sie schreibt auch solche Sachen noch. Sind alle…alle haben maturiert. Jetzt die…früher waren keine Schulen. Jetzt ist…alles ist dort jetzt. [Liest weiter.] „Alle sind gesund und wir haben viel Ursache zu danken. Israel-Sendungen schaue ich gerne im Fernsehen. Gott segne Sie und schütze Israel!” Jedes Mal schreibt sie das. „In treuer Freundschaft grüßt, Ihre Resi.” Und da habe ich von einem Brief…schade, dass ich den jetzt nicht sehe, was die da schreibt.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Doch, ich werde diesen vorlesen. [Räuspert sich, liest vor.] „Haben Sie tausend…” – das ist von einer anderen. „Haben Sie tausend Dank für Ihre netten Weihnachts- und Neujahrswünsche! Wir sind sehr erfreut, dass Sie immer wieder an uns Golser, und an mich, denken. Wir hoffen sehr, es geht Ihnen gut und, dass Sie einen schönen Lebensabend im Wohnheim verbringen können. Frau Romana, geborene Lunz, erzählte mir, ihr Sohn habe einen Studienfreund aus Israel, der in Ihrem Heim Zivildienst machte und Sie so kennenlernte. Wie klein doch die Welt ist! Nun sind Sie bald fünf Jahre…sind es bald fünf Jahre, dass Ihre Schwester Uschi, und meine liebe Mutter uns für immer verlassen haben.” Ich bin immer nach Wien gefahren, auch zu meiner Schwester. Jetzt ist es schon fünf Jahre. Ich war damals auch beim Begräbnis. Seit damals war ich nicht dort. Ich habe dort…die Tochter von ihr wohnt dort, mit der Familie. [Liest weiter.] „Gerne denke ich an die lieben Besuche von Uschi und Elisa, sowie von Ihnen und Ihrem Bruder Ladislaus.” Der lebt auch schon nicht mehr. „Es waren immer sehr schöne Begegnungen und Stunden, die wir gemeinsam verbrachten, bei uns hier in Gols. Im Juni war Herr Ignaz…” – ein anderer, der von hier auch ist, der mit uns gekommen ist von Gols. Der war damals zehn Jahre alt. Und der ist…der war in Gols, einige Male. [Liest weiter.] „Im Juni war Herr Ignaz Roth mit seiner gesamten Familie, fünfzehn Personen…“ [Greift sich an den Kopf.] Ist verrückt geworden. „Sie haben im Gasthof Daniel vis-à-vis von der evangelischen Kirche genächtigt, wurden im Rathaus vom Bürgermeister Direktor Hans Schrammel empfangen, und sind von Gols weiter nach Rumänien zum Grabe von Herrn Roth seinem Bruder Alexander gereist.” [Überlegt.] Doch sie schreibt da noch weiter, sie…der Gesundheitszustand ist nicht so gut von ihr.

 

 

2/00:15:00

 

 

Und…was schreibt sie noch? [Liest weiter.] „Der…unser jetziger Herr Bürgermeister ist mein Cousin. Er ist auch Direktor an unserer Hauptschule. Sein Großvater war Ihr vis-à-vis Nachbar.” Von uns. Der Iro Sattlermeister sage…ich weiß… „Ich bat ihn, er möge doch veranlassen, dass man Ihnen eine Golser Chronik…” – da hat er das Dings geschickt, und er schreibt auch hier…schreibt er mir da: [Nimmt das Buch, das vor ihr liegt.] „Mit herzlichen Glückwünschen zum 97. Geburtstag. Der Bürgermeister Direktor Hans Schrammel.“ [Schließt das Buch.] Mit dem anderen Bürgermeister war ich sehr gut. Aber der ist schon gestorben, jetzt…. [Überlegt.] Ich weiß nicht…da schreibt sie schon Sachen, verschiedene. Das ist…eine Frau ist 100 Jahre geworden, auch eine gute Bekannte von mir. Und die…man ist zu ihr gekommen…der Bürgermeister, und noch einer…und hat ihr Blumen gebracht, und hat sie gefragt, was sie sich möchte wünschen. Hat sie gesagt, sie hätte einen Wunsch: Einmal möchte sie noch fahren mit dem Auto, allein chauffieren, die Straße…die eine Straße hin und zurück. Und man hat ihr das gemacht. Man hat abgesperrt die Straßen, und man hat einen…einen שותר [Polizisten] hingestellt, ich weiß nicht. Man hat ihr das so gemacht.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

[Liest einen weiteren Brief vor.] „Ihre liebe Schwester, Frau Uschi, hat mir am Telefon erzählt, dass Sie am 21.8. Ihren 90. Geburtstag feiern.” Da war ich noch zu Hause. Das heißt, meine Tochter hat mir gemacht einen Geburtstag, aber das war etwas Außergewöhnliches. Sie wohnte in Sawjion, hatte da ein Haus mit einem großen Garten. Sie hat es dann ganz groß gemacht, sie hat eingeladen vom Ausland Leute, und von…von hier überall. Ich habe nicht gewusst, dass sie so groß macht. Ich habe gedacht, nun 90, schon. Sie hat mir jedes Jahr gemacht. Wir haben immer zusammen gemacht, mit den zwei Söhnen, die sind auch im August geboren. Der eine ist am selben Tag wie ich…zufällig. Und der andere am 30. August. Aber im August auch. Und da hat sie immer gemacht für uns drei. Immer eine Torte, die so gestanden ist…extra, so und so. [Überlegt.] Und da schreibt sie, dass sie wünscht alles Gute. „Nun zu uns…“, da schreibt sie, die Mutter fühlt sich nicht so gut, und…jeden Moment im Krankenhaus, und so weiter.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Ich weiß nicht…alles Mögliche…noch da schreibt. [Liest weiter.] Aber dann schreibt sie auch: „Ich kann es gar nicht glauben, dass Sie schon 90 Jahre werden. Aussehen tun Sie bei Weitem viel, viel jünger. Gott, 90 Jahre sind fürwahr ein Geschenk Gottes. Eine schöne, behütete Kindheit, traurige, überaus traurige, und voll Leid geprägte Jugendjahre, gezwungen zum Verlassen der Heimat, das Wiederaufrichten, die Gründung der Familie, die Kinder, die Freuden, das Wiedererlernen des Lachens, und das Bewältigen des Kummers und des Leides.” Wie schön sie schreibt, nein? „Doch trotzdem ist das Leben schön und lebenswert. Da zu sein, und gebraucht zu werden, eingebunden in der Familie, und ein schönes Miteinander ist doch ein großer Lebensinhalt. Liebe Frau Rosi, ich wünsche Ihnen wirklich von ganzem Herzen alles Liebe, und ich bin sehr froh, dass wir uns kennenlernten, und jene Stunden, die Sie und Ihre Frau Uschi in unserem Haus verbringen konnten, Ihnen ein bisschen Gols und ein klein wenig Ihre alte Heimat wiedergeben. Ich hoffe, wir sehen uns in Gols wieder. Bis dahin möge Sie der liebe Gott behüten. Ich umarme Sie herzlichst, Grete soundso.“

 

 

2/00:20:02 [Übergang/Schnitt.]

 

 

LSY: Ist das in Ordnung, wenn ich Ihnen noch ein paar Fragen stelle?

 

RG: בבקשה  [Bitte].

 

LSY: Vor dem Anschluss, haben Sie da auch Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht, in Österreich?

 

RG: Nein. Wir haben überhaupt nicht gehabt, man hat uns sehr gerne gehabt. Die Familie von uns…wir waren schon…ich weiß nicht, wann, aber…ich habe auch…ich habe da auch Bilder. [Steht auf und holt Fotos.]

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

LSY: Als Ihre Familie dann 1933 davon gehört hat, dass die Nazis in Deutschland an die Macht gekommen sind, hatte man dann auch schon Angst, dass er nach Österreich kommt?

 

RG: Gar nichts. Ich habe nicht einmal gedacht an so was, überhaupt nicht. Ich habe überhaupt nichts gemerkt. Und die Leute…wir waren mit den Leuten sehr gut…mit allen. Ich kann auch nicht sagen, dass man…man hat überhaupt…nur damals hat man den Vater geholt zum Unterschreiben. Und sie waren damals auch nicht…weiß ich wie. Sie waren soweit in Ordnung. Aber damals hat mir auch einer…ich glaube, ich habe Ihnen gesagt, dass der eine war dabei, ein Schulkollege, oder was. Er war ein Jahr älter, oder ich weiß schon nicht mehr. Der hat mir gesagt: „In drei Stunden wird er zurückkommen.” Aber das war genug, in der Nacht um zwölf, das Dreschen an die Tür.

 

LSY: Ihre Familie hat gar nicht damit gerechnet, dass das in Österreich auch so passieren wird?

 

RG: Überhaupt nicht. Aber wie Hitler einmarschiert ist, wie der [Kurt] Schuschnigg gesprochen hat, das haben wir auch alles gehört. Ich meine, das hat man schon gewusst. Und ich weiß noch, ich habe zugeschaut von oben…vom Dachfenster, wie man zurückgekommen ist. Aber…ich habe noch…wir haben noch gesprochen mit den Leuten, mit allen. So wie…diesbezüglich haben wir nichts gehabt. Wir selbst. Dort in der Nähe, in Frauenkirchen…ich weiß nicht, ob Sie wissen…dort war schrecklich. Dort war…das habe ich gehört, nachher.

 

LSY: Was haben Sie gehört, was da passiert ist?

 

RG: Man hat fürchterliche Sachen gemacht, dort. Schrecklich. Aber wir sind weg am 20. April, an Hitlers Geburtstag. Und dann…damals hat man judenrein gemacht, das ganze Burgenland.

 

LSY: Ja, das haben Sie erzählt. Wissen Sie, was dann mit Ihrem Haus passiert ist, das Sie hatten, später?

 

RG: [Zeigt auf ein Buch.] Sogar hier in dem Buch steht es, dass man in der Nacht noch…am Abend, als wir weg sind, ist man noch gekommen, haben die Leute mitgenommen viele Sachen. Und dann hat man das zugesperrt und verriegelt, weil man hat das wollen für die…für die Dings geben…für die…ich weiß wer. Aber wir haben zum Beispiel…das Klavier habe ich bekommen…mein Klavier.

 

LSY: Das haben Sie später zurückbekommen?

 

RG: Ein Flügel. Aber erst nach Jahren. Das heißt, die Eltern sind zurückgefahren. Sie wollten schauen, was man machen kann, was dort ist. Das war…nach dem Krieg…ich weiß, im…das war…[19]49. Ja, [19]49 war das. Sind sie gefahren nach Wien. Und…sie haben zurückbekommen das Haus. Das heißt, die…inzwischen war man schon in dem Haus, aber sie haben bekommen…irgendein Geld, aber…nicht viel. Und sie haben sehr viele Weingärten gehabt. Das steht alles genau drin. Wenn Sie das sehen wollen. [Zeigt auf das Buch.]

 

LSY: Ich werde mir das mal kopieren, irgendwann.

 

RG: Und…steht welche Weingärten, und welche Dings…und ich habe auch bekommen…das heißt, der Vater hat damals bekommen, aber ich habe das, eine ganze Register…Dings, was…aber ich war überrascht, wie da alles drinsteht.

 

 

2/00:25:08

 

 

LSY: Das hat jemand erforscht, wahrscheinlich.

 

RG: Das ist alles…man hat das nicht einfach…das hat man…für die Regierung gegeben. Und hat das alles aufgenommen. [Überlegt.]

 

LSY: Aber hatten Sie den Eindruck, dass die Österreicher die Deutschen schon auch freudig aufgenommen haben?

 

RG: Die…aber wie! Ich habe mit einer gesprochen, mit einer Frau…mit einer jungen Frau, die ist jetzt 100 Jahre geworden. [Lacht.] Das heißt, sie ist jetzt…nachher ist sie gestorben. Aber sie hat sich…dort…die schreibt mir so: Man hat sie gefragt, der Bürgermeister, und noch jemand…ich weiß es nicht…hingegangen und hat sie gefragt, was sie sich hätte gewünscht. Und hat sie gesagt: „Einmal möchte ich noch mit dem Auto fahren, die Straße.” Damals ist sie 100 geworden. Und man hat ihr das gemacht, man hat abgesperrt die Straße, und sie ist gefahren mit dem Auto. Das hat sie sich gewünscht. [Lacht.] Ah, das wollte ich sagen! Die…mit der habe ich gesprochen kurze Zeit nach…wir waren doch nicht lang dort, nach Hitler. Das war ein paar Tage, glaube ich…da hat sie gesagt: „Du weißt, ich bin neben dem Hitler gestanden. Du weißt, was das war. Ich war ganz…ganz…” [Lacht.] Ganz erledigt war sie. Er hat…der Hitler hat ja gehabt eine Anziehungskraft, irgendwie. Irgendetwas hat er gehabt. Vorgestern habe ich einen Film gesehen. Es hat gegeben einen Film mit dem…na, wie heißt er? Na, wie heißt der? Der die Filme gemacht hat, der die Füße so gehabt hat?

 

LSY: Ah, Charlie Chaplin?

 

RG: Charlie Chaplin. [Lacht.] Mit ihm war ein Film.

 

LSY: Ah, Der Große Diktator?

 

RG: Der Große Diktator, ja. Er war der Hitler. Ja, gut…das war alles nur so. Und gestern hat es einen Film gegeben von Elisabeth von England. Aber vor…in 1500…der damaligen Zeit. Aber ich bin nicht bis zum Schluss geblieben…so grausam. Brr! [Lacht.]

 

LSY: War Ihre Familie damals überrascht über die Reaktion der Österreicher?

 

RG: Über was?

 

LSY: Über die Reaktion der Österreicher, dass die Hitler auch so freudig aufgenommen haben?

 

RG: Nein. So war es, und fertig. [Überlegt.] Dann hat man auch das Geschäft zugesperrt. Im Haus haben wir gehabt ein Geschäft, ein sehr gut gehendes Geschäft.

 

LSY: Was für ein Geschäft?

 

RG: Es war Schnittware, und…viele Sachen gehabt. Es war ein sehr…man hat sehr gerne bei uns gekauft. Mein Vater war so ein gerader Mensch, sehr angesehen. Meine Mutter auch. Die Mutter war aus der Tschechoslowakei. Und eine Tante…das ist interessant…das steht auch da drin, das habe ich von da gesehen, im Buch.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Dass sie ist hingekommen, nach Gols, nachdem wir weg waren. Oder hat sie angefragt, das weiß ich schon nicht mehr. Wie habe ich gelesen, dass sie kommen will…ob sie kommen kann, und, dass man Sachen aus dem Haus nimmt.

 

 

2/00:30:00

 

 

Und dann…ich weiß schon nicht, wie das war. Auf alle Fälle, inzwischen ist der Hitler dort auch einmarschiert. Ein Jahr nachdem wir weg sind, hat man sie weggenommen. Diese Tante…die hat uns gesagt damals…sie ist gekommen, noch bevor wir weg sind…hat sie gesagt: „Ihr kommt zu mir, ich übergebe euch alles.” Und Gott sei Dank ist es…wir haben nicht herüberkönnen. Aber damals war das…war das nicht so…wir waren sicher, dass wir kommen können. Aber es war…so war es besser.

 

LSY: Hatten Sie während des Krieges, wo Sie schon hier waren, noch Kontakt mit der Familie, die noch in Österreich war?

 

RG: Ja. Ich habe gehabt…ich habe eine gute Freundin gehabt. Ich habe Ihnen gesagt, glaube ich, dass ich auch in einem Kloster mal war. Dort war diese Freundin. Die hat mir…die haben auch irgendwie Dings gehabt, ich weiß nicht. Sie hat zwar geschrieben: „Wir waren keine…wir waren keine Nazis.” Oder ich weiß nicht, aber…darauf, „Das ist doch egal“. Aber inzwischen ist sie schon gestorben. [Überlegt.]

 

Ich habe mit mehreren gehabt…Korrespondenz. So ist das. Und ich…wir waren öfter…ich war doch mit…meine Tochter war doch auch einmal mit. Und wer war noch? Es war da ein anderer, der ist einmal hingefahren mit fünfzehn Personen. [Lacht.] Und er hat eine ganze Dings gemacht.

 

LSY: Aus dem Haus hier?

 

RG: Bitte? Nicht von da. Na [Nein], der ist ganz woanders. Der ist als zehnjähriger Junge…war er damals, wie er weg ist. Und er hat damals geschrieben auch. Dort, wo ich nicht habe geschrieben. טוב זהו זה [Gut, so war das].

 

LSY: Können Sie sich noch erinnern, als Sie das erste Mal dann auch hier erfahren haben, was mit den ganzen Juden in Europa passiert? Von Auschwitz, und den Vernichtungslagern gehört haben?

 

RG: Oh, alles hat man gehört. Das ist nicht so…und manchmal denke ich, das kann doch nicht möglich sein. Aber es war.

 

LSY: Haben Sie das schon damals, während des Krieges, gehört, hier?

 

RG: Das war schon nachher. Alles…sicher.

 

LSY: Von Ihren Verwandten sind auch…

 

RG: Sicher. Von meiner Mutter die Geschwister, fast alle. Ich bin…wir…ich bin mit meinem Mann nach…das war nach dem Krieg alles gewesen…sind wir gefahren nach Wien. Dann sind wir von dort auch nach Budapest gefahren, nach Ungarn. Er ist ein Ungar gewesen. Und ich habe ihm gesagt, ich werde ihm jetzt zeigen, wo diese Tante gewohnt hat, wo ich immer hingekommen bin…öfter. Da sind wir gefahren mit der Straßenbahn. Die Straßenbahn ist gefahren von Budapest nach Kispest. Und ich habe gesagt: „Oh, jetzt muss es bald kommen!” Und ich schaue, und schaue. Und auf einmal ist ein großer Park dort, ein ganz großer…steht da. Das war alles abrasiert. Es war überhaupt nicht mehr dort, kein Haus von denen, die ich gekannt habe. Und das habe ich ihm wollen zeigen. [Lacht.] זהו זה [So war das].

 

 

2/00:35:00

 

 

LSY: Wann sind Sie das erste Mal wieder nach Österreich gefahren?

 

RG: Das erste Mal bald nach dem Krieg.

 

LSY: Wie war das für Sie?

 

RG: Wann war ich eigentlich? Ich weiß es nicht, ob die…die Schwester schon damals dort war, oder nicht. Moment, ich weiß es nicht. Ich glaube, damals war sie noch gar nicht dort. Wir sind…wir haben dort Bekannte gehabt, wo wir hingegangen sind. Nach Gols sind wir gegangen. Aber das war alles so…ich weiß nicht. Ich habe gesagt, ich möchte nicht mehr dort wohnen. Und meine Schwester ist sehr zufrieden gewesen. Das heißt, in Wien hat sie…Wien. Die Kinder von ihr sind auch…das heißt, eine Tochter hat sie, die ist hier geboren. Wie sie zweieinhalb Jahre alt war, ungefähr, sind sie gekommen…öfter. Und ich bin dann oft nach Wien gefahren. Aber am Anfang sind wir immer in die Schweiz gefahren. Und nach Wien nur auf einen Sprung. [Lacht.]

 

LSY: Das war einfacher?

 

RG: Ja.

 

LSY: Haben Sie damals auch mit den Leuten geredet, und gefragt, oder…

 

RG: Nein, ich weiß nicht, man hat… Sicher hat man gefragt, verschiedene Sachen, aber das Haus, alles…alles schaut ganz anders aus…das ist nach so vielen Jahren… [Denkt nach.] Ich habe einige Sachen gesehen, wo ich so…ein Baum zum Beispiel, auf den bin ich heraufgeklettert. Das war ein…ich glaube, ein Maulbeerbaum war das. Ich habe das so gern gehabt, ich bin auf die Bäume hinaufgeklettert. Ich war wie ein Bub. [Lacht.] Ich habe mich überhaupt nie ängstlich…ich bin mit dem Rad gefahren in die anderen Orte.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: Meine Mutter ist 100 Jahre geworden.

 

LSY: Wie war das für Ihre Mutter, sich hier einzuleben?

 

RG: Es war nicht einfach. Die Mutter war damals 50 Jahre alt. Wir haben geglaubt, sie ist schon weiß Gott wie alt. Früher mit 50 Jahren war man schon alt. [Lacht.] Sie hat irgendwas arbeiten gehen wollen. Und wir haben gesagt, wir erlauben das nicht. Wir werden arbeiten, und sie wird zu Hause…machen die Ding…Wirtschaft.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: Aber ich war…habe immer so viel Glück gehabt. Ich habe eine sehr gute Arbeit gekriegt, ich habe Ihnen das erzählt.

 

LSY: Ja, haben Sie erzählt.

 

RG: Das war ein Haupttreffer.

 

LSY: Und Ihre Geschwister, haben die sich auch ganz gut eingelebt, hier--

 

RG: --die Schwester hat sich nicht einleben können--

 

LSY: --es war zu verschieden, die Mentalität, das Land, oder?

 

RG: Ja. Aber die Brüder, ja. Ich habe können den Bruder auch noch als Gärtner unterbringen können. Das war auch sehr gut. Ein paar Mal in der Woche ist er gekommen. Nachher bin ich trotzdem…bin ich weggegangen. Man hat ein Kaffeehaus aufgemacht, ich habe Ihnen das erzählt. Ich habe mehr gekriegt dann. Und das hat…das habe ich machen müssen. Es war nicht so einfach.

 

 

2/00:40:00

 

 

LSY: Wie würden Sie heute…wie kann man das sagen? [Lacht.] Fühlen Sie sich immer noch ein bisschen österreichisch? Oder ganz Israeli?

 

RG: Nein, man kann nicht…zufälligerweise rede ich sehr viel von Österreich. Und…ich habe kein Dings. Man hat uns nichts…man hat uns nichts gemacht, außer dass man uns… [Lacht.]

 

LSY: Naja, das ist ja schon was.

 

RG: Na gut, das hat man mit allen gemacht. Aber man hat mit anderen weiß ich was gemacht, und…man hat uns doch…wir sind dann…ich habe Ihnen erzählt, dass wir in den Wald gegangen sind. Das war schrecklich. Das heißt, man hat nicht gewusst, wo man hinkommt. Überhaupt nicht. Und auf dem Schlepper damals.

 

ככה זה [So war das].

 

LSY: Hatten Sie dann in Israel immer noch viel Kontakt mit anderen Leuten, die aus Österreich gekommen sind?

 

RG: Jetzt schon ganz wenig. Jetzt habe ich…ich habe aufgehört, überhaupt mit allen…man kann mich auch nicht erreichen am Telefon. Ich bin nie da. Ich mache viele Sachen hier.

 

LSY: Ich wollte Sie auch noch fragen: Haben Sie mit Ihren Kindern Deutsch oder Hebräisch geredet?

 

RG: Deutsch. Ich kann sogar nicht einmal so gut Iwrit, weil wir haben nur Deutsch gesprochen, immer. Eine Mutter war auch immer bei mir. Erst die Mutter von meinem Mann, die ist damals noch gekommen aus Ungarn. Sie war ein paar Jahre bei uns. Und dann später war meine Mutter.

 

LSY: Ihr Mann hat auch Deutsch gesprochen?

 

RG: Ja, aber nicht sehr gut. Er war ein richtiger Ungar, aber seine Mutter war auch aus dem Burgenland. Und die haben auch Deutsch gesprochen. Aber…das heißt, er hat…gesprochen hat er eigentlich – sagen wir – gut, aber geschrieben hat er schrecklich. [Lacht.] Auf Deutsch. Er hat solche Fehler gemacht.

 

LSY: Die Kinder können alle noch Deutsch sprechen?

 

RG: Ja, aber jetzt schon weniger, weil die…sie sprechen jetzt nur mit mir Deutsch. Und wenn ich Iwrit mit ihnen spreche, antworten sie mir Deutsch. [Beide Lachen.] Auch die aus Amerika.

 

LSY: Weil sie es so gewöhnt sind, wahrscheinlich.

 

RG: Ja.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

RG: Aber die Enkel sprechen nicht Deutsch. Das heißt, die Enkel…die Enkel eigentlich auch noch ein bisschen. Aber die Urenkel überhaupt nicht.

 

LSY: Wie viele Enkel haben Sie?

 

RG: Enkel habe ich sieben. Und Urenkel…wie viele habe ich gesagt?

 

LSY: Sieben.

 

RG: Auch sieben, glaube ich. Ja. Das heißt, die Urenkel sind nicht da, nur eines ist hier. Zweii. Einer ist schon acht Jahre alt. Das ist ein Motek. Der will kommen, und hören. [Lacht und steht auf.]

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

LSY: Was war Ihr Familienname, vor dem Krieg?

 

RG: Brock. B.R.O.C.K.

 

LSY: Rose Brock.

 

RG: [Nickt.] Ich habe jetzt auf den letzten Brief…habe ich noch keine Antwort gekriegt. Und sie hat immer sofort geschrieben. Ich hoffe, es ist alles beseder.

 

LSY: Eine Frau in--

 

RG: --Frau von dort. Nicht von…von Gols, ja--

 

LSY: --mit wie vielen Frauen haben Sie da Kontakt?

 

RG: Mit zwei.

 

LSY: Mit zwei. [RG steht auf und holt die Chronik von Gols.]

 

 

2/00:45:00

 

 

LSY: Wissen Sie, ob es heute…gibt es heute in Gols wieder eine jüdische Familie, die da lebt?

 

RG: In Gols nicht. Na [Nein]. Dort waren wir nur drei Familien.

 

LSY: Und im Burgenland? Gibt es dort heute eine jüdische Ge--

 

RG: --im Burgendland waren viele Juden.

 

LSY: Und heute? Gibt es heute wieder eine jüdische Gemeinde--

 

RG: --in Frauenkirchen ist auch keiner. Einer war dort, ist zurückgekommen. Das steht auch in einem Buch da. Ich habe mehrere Bücher da.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

LSY: Danke! Gut! Dankeschön!

 

 

2/00:45:47

 

 

[Ende des Interviews.]