Catriel Fuchs

Catriel Fuchs was born in the Burgenland in 1925, but moved to Vienna with his family when he was a child. In Vienna, he lived for a long period in an orphanage and visited elementary school. After he was excluded from school in 1938, he became a member of a zionist youth organization and with their help was able to flee to Palestine over Yugoslavia. After a period living in Kibbutz Gan Shmuel, Fuchs enlisted in the Royal Navy. He later worked for a large container shipping company, a job that took him as far away as Taiwan. Fuchs now lives in Israel.

Full interview

Part 1
Part 2
Part 3
Interview form:
Video
Interview location:
Israel
Interview language:
German
Interviewer:
Lisa Schulz-Yatsiv
Interview duration:
02:12:39
Collection:
LBI Jerusalem
Number of meetings:
2
Date of interview:
June 12, 2013 to February 24, 2014
Catriel Fuchs
Birth name:
Karl Fuchs
Date of birth:
1925
Place of birth:
Landsee, Austria
Route of escape
n. d. Vienna, German Reich
n. d. Zagreb, Yugoslavia
n. d. Greece
n. d. Istanbul, Turkey
n. d. Aleppo, Syria
n. d. Gan Shmuel, Palestine
Stages of life
Here is a chronological list of the places that feature in the life story of the interviewed person.
Landsee, Austria
Vienna, Austria
Gan Shmuel, Israel
Paris, France
Frankfurt am Main, Federal Republic of Germany
Taiwan
Klosterneuburg, Austria
Israel
Organisations
from 1938
Blau-Weiß - Vienna, Austria
Hashomer Hatzair - Israel
Royal Navy - United Kingdom's Naval Warfare Force - Great Britain
Training
Compulsory schooling
Elementary school,
Rodaun, Austria
Compulsory schooling
Elementary school,
Selzergasse, 1150
Vienna, Austria
to 1938
Compulsory schooling
High School,
Selzergasse, 1150
Vienna, Austria
from 1938
Professional training
Lehrlingsheim (apprentice accommodation),
Grünentorgasse 26, 1090
Vienna, Austria
Profession/job

in chronological order

Journalist
Media, culture
Israel
Employee
Travel, transport and delivery services
Israel
France
Federal Republic of Germany
Taiwan
Austria
“Talks about” are particularly interesting sections of the interviews curated by the editors of Austrian Heritage Archive.
Anti-Semitism in the interwar period and after the Anschluss
Escape to Palestine via the Kingdom of Yugoslavia and Turkey
Life in Kibbutz Gan Shmuel

Teil 1

 

 

12. Juni 2013

 

 

LSY: Interview am 12.6.2013 mit Catriel Fuchs, interviewt von Lisa Schulz-Yatsiv. Ich würde Sie bitten, mir erst mal Ihre Lebensgeschichte von sich aus zu erzählen und ich werde dann später noch einige Fragen stellen.

 

CF: Ja, einverstanden. Im Telegrammstil will ich es nicht machen: „Ich bin geboren, ich lebte, ich habe verloren und so weiter…“ – das nicht, das sagen wir nicht. [Beide lachen.] Also, ich bin eigentlich im Burgenland geboren – irgendwo in einem Loch, das heißt Landsee im Kreis Sankt Martin – und habe aber dort nur ein, zwei Jahre meines ersten Lebens verbracht und dann sind wir nach Rodaun übersiedelt. Das ist ein Vorort von Wien, der hat damals noch nicht zu Wien gehört. Wir haben in sehr ärmlichen Zuständen gelebt. Mein Vater kam irgendwo aus der Monarchie her, ich habe ihn nie richtig kennengelernt. Wie ich sieben Jahre alt war, habe ich ihn sowieso verloren und nie wieder gesehen. Er war immer unterwegs und scheinbar war er auch ein Milizionär bei den Sozialdemokraten im [Republikanischen] Schutzbund. Und das so weit. Unsere Mutter…also, meine Mutter war praktisch eine alleinerziehende Frau und sie kam aus guten bürgerlichen Verhältnissen und ich habe nie verstanden oder gewusst…oder nicht gefragt, wie die beiden eigentlich zusammengekommen sind. So, das…mit meinem Vater habe ich…ich war sehr böse auf ihn eigentlich, seinerzeit, weil ich ihn nie gesehen habe. Und außerdem hat er nach Tabak schlecht gerochen, also nach dem gewöhnlichen Soldatentabak, diesem Machorka-Zeug, was sie sich mit der Hand gedreht haben. Seine Finger waren gelb, seine Zähne waren gelb und ein Glasauge hat er auch gehabt – im Krieg verloren. Also ich konnte ihn nicht…ich war allein. Wir waren die einzige jüdische Familie in Rodaun, was damals ein winziges Kaff war. Heute ist es ein edles Villenviertel. Und…es ist mir eigentlich gut gegangen. Ich habe nicht gewusst, dass ich etwas Besonders bin. Ich wusste nur, dass ich kein Katholik bin und nicht in die Kirche gehen dürfte oder sollte…in die Bergkirche. Und einmal in der Woche oder so wurde ich zum Religionsunterricht nach Liesing geschickt. Und dort hat ein kleiner Rabbiner, der sehr herzig war, aber total unverständlich dahergeredet hat, mir irgendein…und ich habe das meistens geschwänzt. Also, zum Judentum…zum religiösen Judentum habe ich eigentlich nie eine Beziehung gehabt, bis ich nach Israel gekommen bin und mich überhaupt mit Religionen auseinandergesetzt habe.

 

Und die ersten zwei Volksschulklassen habe ich noch in Rodaun absolviert und dann wurden ich und meine Schwester, meine kleine Ruth, in separate Waisenhäuser in…nach Wien überwiesen. Meines war in der Goldschlagstraße 84, ich kann mich noch erinnern daran. Und das ist inzwischen zerbombt, das gibt es nicht mehr. Es wurde von der…Baron Stifter…nein…wie haben sie geheißen…von einem jüdischen Baron…der Familie gestiftet und es war eigentlich nicht zu vergleichen mit den Waisenhäusern, so wie dargestellt von Charles Dickens. Es war…es war ok. Es gab internen Terror…aber normalen Jugendterror untereinander. Der Stärkste ist immer oben und so weiter. Das hat mir auch gezeigt eigentlich, wie der Mensch ist, wenn…solange ich unter den Kleinen war – also die Volksschüler –, habe ich jemandem gehört. Im Augenblick, in dem ich reingekommen bin, ist immer einer auf mich zugekommen und sagte: „Hearst [Hörst du], Karl, du ghörst [gehörst] mir! Du machst alles, was ich dir sage! Du trägst mir die Schultasche, du lieferst mir deine Mehlspeis’ [Mehlspeise] ab und so.“ Akzeptiert. Nachher mussten wir auch…wir sind mal auf sogenannte Ferien nach Niederösterreich gefahren und dort mussten wir uns prügeln, miteinander, die Jugendlichen, zur Gaudi [zum Spaß] und die Älteren, die waren alle da…und wir haben das akzeptiert und beste Freunde haben aufeinander eingeprügelt. Und wie ich dann selber ein Großer geworden bin, oh Schande, habe ich mir den Ersten genommen, habe gesagt: „Hearst [Hörst du], Kowatsch! Du ghörst [gehörst] mir.“ Ich war sicherlich nicht so grausam zu ihm, wie…aber er hat mir gehört. Das ist als…als Anfang. [Lacht.]

 

 

1/00:05:02

 

 

Ja, also das war das Waisenhaus. Ich habe dort keine Spur von Antisemitismus gespürt. Wir waren die einzigen [Juden] im Dorf. Ich bin zu einer katholischen Nachbarin gegangen und durfte dort spielen, im Garten. Also, ich habe nicht…ich wusste, ich bin irgendwie anders, wegen der Kirche und so. Keine Flüche oder so was gehört. Es war ok. Und eben in Wien dann…das war im damaligen…im 14. Gemeindebezirk, der heute der 15. ist und da bin ich nachher in die Selzergasse in die Schule gegangen, die nächsten zwei Vollschulklassen und zweieinhalb Hauptschulklassen, sogenannte. Acht Jahre war damals der normale Lehrgang, wer nicht ins Gymnasium oder wie weiter gekommen ist. Und in dem Waisenhaus haben wir natürlich etwas seltsam ausgesehen, denn wir hatten…keine Uniform, aber diese…wir haben es den Brennnessel-Anzug genannt. Billige [unklar], die uns aufgescheuert haben, die Schenkel und so. Und hohe Schuhe getragen und schwarze Socken. Und außerdem waren wir kahl geschoren. Also, wir haben ein bisschen seltsam ausgesehen, aber man hat uns akzeptiert…in der Schule. Ja, es war…ich kann nicht sagen, es war antisemitisch oder irgendwie…ich habe es nicht gespürt…oder nicht wahrnehmen wollen. Ich war zu jung dafür.

 

Wir hatten einen…ich war der Beste in Deutsch und in Geografie. Der absolut Schlechteste in Chemie und Physik und…ein oder zwei Gedichte von mir sind sogar veröffentlicht worden in einer Zeitung, die es längst nicht mehr gibt. Die hieß Lesergilde. Und der Lehrer war sehr anständig und zuvorkommend. Die anderen Lehrer haben mir auch nichts angetan, ich war nur kein hervorragender Schüler. Wir haben Ball gespielt im Turnunterricht und so. Hin und wieder hat einer schon was von sich aus…und besonders nachher, nachdem…besonders in Deutschland, seit [19]33 dort der Nazismus offiziell geworden ist…und in Österreich gab es sowieso sehr starke Naziverbände. Und da hat schon hin und wieder einer mir so blöde Sachen gesagt…und ich war natürlich zu unerfahren und nicht tapfer genug, um darauf zu antworten…so wie: „Schleich’ dich nach Palästina“, „Du Judenmörder“, „Du Gottesmörder“ und „Salomon, der Weise, spricht zu seiner Frau: ‚Sara, du hast Läuse, du bist eine Sau.‘“ Und solche Sachen…jedenfalls…wir sind auf einer Schulbank gesessen und haben zusammen gespielt und zusammen gelernt, gegenseitig auch abgeschrieben. Es war irgendwie so eine Mischgesellschaft. Und dieses Waisenhaus lag an der Goldschlagstraße und eine Seitengasse war die Wurmsergasse. Und damals so wie…das gibt es glaube ich heute gar nicht mehr…da gab es solche sogenannten Streetgangs. Und die Wurmsergasse, die haben ihre Gang gehabt und da haben wir uns gegenseitig den Krieg erklärt, manchmal…das. „Heute Nacht…heute Nacht gemma [gehen wir] aufeinander pirschen.“ Und haben uns draußen getroffen. Das Waisenhaus war frei, man konnte rein- und rausgehen. Und wir sind heraus und haben uns dort Schlachten geliefert, mehr oder weniger harmlose. Und das war eher so wie vom [Alfred] Polgar, diese Geschichten von…von Budapest. Ich weiß nicht mehr, wie das Buch heißt. Den nächsten Tag sind wir wieder friedlich nebeneinander gesessen, als ob nichts gewesen…der eine hat vielleicht ein blaues Auge gehabt oder was, aber sonst weiter nichts. Und dann ist immerhin doch [19]38 der Einmarsch gewesen und bevor wir uns da richtig benommen haben…dann waren wir schon aus der Schule raus, als unerwünscht oder als…

 

Und ich kam in das sogenannte Jugendheim…ein Lehrlingsheim in der Grünentorgasse Nummer 26 im 9. Bezirk. Und dort waren schon…zwischen Vierzehn-, Fünfzehn- bis Siebzehnjährige durch…bunt gemischt und ich kam dann zu einem…zu einem Schlosser. Damals hat es noch jede Menge von jüdischen Handwerkern im 2. Bezirk gegeben und ich kam zu einem Schlosser in die Lehre und da musste ich einen –als Lehrlingsarbeit, oder als Gesellen…nicht Gesellenarbeit, so weit bin ich gar nicht gekommen – einen Würfel zurechtfeilen. [Deutet Würfel an.] Und natürlich nie…der ist immer kleiner geworden, aber er war nie perfekt. Dann hat man mich zu einem Spengler geschickt, dann zu einem Tischler und alle haben mich rausgeworfen, gesagt: „Du taugst nichts.“ Und zum Schluss bin ich dann zum Pflichtdienst eingezogen worden, bei einer Baufirma. Habe ich auch überlebt.

 

 

1/ 00:10:03

 

 

Zusammen mit dem hatten wir in der…in der…Margaretenstraße Nummer 5, dort war das sogenannte…eine Art Horst von Jugendlichen, schon damals nach den verschiedenen politischen Richtungen in Israel eingeteilt. Da gab es die Misrachi und…Kachol Lavan, die Tchelet Lavan…und Hashomer Hatzair und Gordonia. Und wir sind dort eigentlich beigetreten und dort haben wir…nicht über das Judentum gelernt, sondern über Israel. Und wir waren ausgerichtet Richtung Israel, Palästina. Und wir waren eigentlich noch frei. Wir hatten…damals musste man noch keinen gelben Stern tragen, aber es war wüst auf den Straßen. Wir konnten noch auf der Alten Donau rudern und herumgehen, man durfte nicht ins Kino gehen, natürlich. Und Juden…in den Parks steht da: „Juden Eintritt verboten“ und so. Wir haben es nicht richtig mitgekriegt, wir waren zu jung dazu. Und ich war zu frech und mit einem Freund von mir haben wir einmal…wollten wir ins Kino gehen, in einen blödsinnigen Film mit Hans Albers, der war aber erst jugendfrei ab sechzehn. So, wir waren keine sechzehn und wir kommen dort zu dem Film und mit meiner tiefsten Stimme damals habe ich gesagt: „Ja, I hätt’ [hätte] gerne…wir hätten gerne zwoa Koarten [zwei Karten] für heute Abend.“ Sagt sie: „Wie alt seids es [seit ihr]?“ Und: „Wir soan [sind] sechzehn.“ [Sagt dies mit tiefer Stimme.]

 

Sie hat uns die Karten gegeben, aber das Miststück hat dann…hat uns weitergegeben…damals gab es eine Jugendpolizei in Wien. Und wir sitzen in diesem blödsinnigen Film – ich kann mich nur erinnern, dass das einzige Interessante daran war…ist der Hans Albers…den Namen kennen Sie als…Schauspieler…der ist in Unterhosen eine lange Rolltreppe heruntergefahren – und gegen Ende der Vorstellung kommt so einer…was in Wien als Kiberer [Polizist] bekannt ist. Kiberer [Polizist] ist so ein…small-time detective. Und das Kino steht heute noch, das ist das Gloriette Kino, das ist…von dort sieht man nach Schönbrunn. Und da war so ein…so ein Vorhang zum Rausgehen, sehr primitiv. Und habe ich ihm gesagt: „Hör zu! Komm, schleichen wir uns, das ist mulmig hier.“ Und wir wollten aufstehen, kommt er von hinten und legt uns seine Pratzen auf unsere Schultern. [Ahmt nach.] „Bleiben Sie bitte sitzen, meine Herren, bis nach der Vorstellung.“ Und nachher beim Hinausgehen hat er gesagt: „Na? Eure Papiere?“ Und damals hatte ich schon einen Ausweis „Karl Israel Fuchs“. Man musste als Mittelname…die Frauen mussten Sara heißen als Mittelname…nicht wichtig, wie…die Hilde hat Mathilde Sara Figl geheißen und ich habe…der Polizist schaut sich das an: „Jessas, a Jud sans a no [ein Jude sind Sie auch noch]?“ [Schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.] Also, nicht genug, dass ich nicht alt genug war, noch ein Jude dazu! Es war unglaublich. Das hat mich nachher 48 Stunden Gefängnis gekostet in der Rossauer Kaserne. Dieses Riesengebäude dort, das kennen Sie. War aber weiter nichts los und dann haben sie mich nach Hause geschickt.

 

Und…es wurde aber schon enger rundherum um uns. Einmal auf der Straße…ich bin immer so…ein gschamiges Buberl [verschämter Bub] gewesen, immer mit dem Kopf gesenkt am Boden gegangen. Ein paar Jugendliche aufgehalten: „Bist a Jud [ein Jude]?“ Habe ich gesagt: „Ja.“ Und bevor ich noch „Ja“ gesagt habe: zwei Vorderzähne ausgeschlagen. [Ballt Faust und deutet Bewegung Richtung Kopf an.] Ich gebe zu, das war die einzige…rohe Tat, die mir passiert ist. Also, ich kann mich nicht beschweren oder beklagen. Ich musste andererseits…musste ich zusehen, wie meine arme Mutter…die wurde delogiert aus Rodaun. Und Rodaun wurde nachher feierlich als judenrein erklärt, weil die letzte Jüdin raus ist. Und hat in einem…in der Oberen Donaustraße mit einer anderen Frau zusammen in einer Einzimmerwohnung gewohnt. Und musste damals mit der Zahnbürste die Schwedenbrücke putzen. Publikum ist herumgestanden, gelacht, geschaut. [Äfft Geplapper nach.] Und ich bin auch dort gestanden. Als einer vom Publikum musste ich mir das ansehen. In diesem Ju-Al, Jugend-Alija Bewegungs-Hort…das war keine 200 Meter von der Gestapo entfernt, von dem damaligen Métropole Hotel. Das Haus, das gibt es nicht mehr. Und die sind hin und wieder gekommen mit ihren glänzenden Stiefeln und mit den Uniformen…

 

 

1/00:14:58 [Übergang/Schnitt.]

 

 

…und die schauen sich das an. Da geht der…da marschiert der Jude mit einem Gewehr und vorne zwei Pferde und er pflügt, und er sät, und er…und das waren noch diese…die damals so üblich waren…auch in Russland, in Deutschland…vom Menschen, der die Erde bearbeitet und mit Werkzeug. [Gestikuliert.] Haben sie gesagt: „Da schaut euch das an! Das ist ja so wie bei uns in der Hitlerjugend.“ [Lacht.] Das war amüsant. Und haben sich das angeschaut, aber nichts kaputt geschlagen oder was. Und dort haben wir…dort haben wir schon über Proletarier gelernt und über…wir waren zu jung, um das alles zu schlucken. Zur selben…wir hatten auch noch Lehrer, jüdische Lehrer und Professoren, die – so wie wir – aus den Schulen herausgeflogen sind und die gaben uns irgendwie notdürftig Unterricht. Das ist mehr oder weniger meine Einschulung in das schulische Wesen.

 

Und dann ist es soweit gewesen, dass die Jugend-Alija mit Hilfe von den…wird mir einfallen dann, aber…dass von der Jugend-Alija…dass konnten von jeder…zionistischen Bewegung einige Auserwählte konnten nach Israel geschickt werden. Allerdings nicht so einfach war das, sondern illegal über Jugoslawien…und ich war unter diesen Auserwählten – warum eigentlich, weiß ich nicht. Also, ich war drunter. Und da gab es einen Schleicher, einen Schmuggler in Graz. Haben Sie irgendwas von Josef Schlich gehört…von Josef Schleich? Über den habe ich auch lange korrespondiert…mit Yad Vashem, die sich geweigert haben, ihn als Gerechten [unter den Völkern] anzuerkennen, obwohl er 100 Leuten das Leben gerettet hat, nicht aus Profit. „Ja, er hat mit der Gestapo zusammengearbeitet und…“ Da habe ich…einmal habe ich mir gesagt: „Ich habe den Schriftwechsel, wenn Sie das interessiert. Das…was wolltet ihr? Man musste die Gestapo bestechen.“ Die war bestechlich, ist eh klar. Man musste die deutsche Armee bestechen, diese Patrouillen…die Grenzpatrouillen bestechen. Und man musste auch die Bevölkerung bestechen, dass sie kuschen [still sind]. Der hatte ein kleines Taxiunternehmen und einen Hof.

 

Also, wir kamen…wir wurden zusammengesammelt, dann haben wir uns von meiner Mutter verabschiedet und von meiner Schwester und es ging nach Graz und dort lagen wir am Boden, bis eins…ich kann mich nicht mehr erinnern, wie lang es war. Wir waren versorgt, irgendwie. Wir waren jung…es war uns alles egal eigentlich. Und dann kamen wir bis an die Grenze, irgendwo in einem Wald bei den Karawanken und man hat uns gesagt: „Bückt euch und wartet, bis wir euch das Zeichen geben. Dann rennt so schnell ihr könnt über die Lichtung hinüber und dort wird man euch übernehmen.“ Und so war es. Auf der anderen Seite haben uns dann jugoslawische Grenzführer übernommen…und durch den Wald gewandert, bis wir runtergekommen sind an die Drau, an diesen Fluss. Und von dort sind wir in ein Dorf gekommen. Nicht in Marburg selbst…Maribor. Ein kleines Dorf. Und dort war es sehr lustig. Und dort habe ich das erste Mal Schweinefleisch gegessen und Wein getrunken und es war ein Volksfest hier zur selben Zeit. Es war alles irgendwie…ein Abenteuer. Total benommen. [Schüttelt die Hand vor dem Kopf.]

 

Wir mussten nachher an die Böschung gehen, wo der Zug durchgefahren ist und man hat deswegen…in der Nacht bleibt dann der Zug stehen, eine Ladetür von einem Lastwaggon ist offen. „Springt herein und ihr fahrt bis Zagreb, da werdet ihr weiter übernommen.“ Ok, ich wache auf in der Früh, es ist heller Tag…kein Zug, keine Freunde, nichts. Ich liege da – keine Ahnung, wo ich bin. Ich war besoffen. [Lacht.] Und wusste nicht wo links und wo rechts ist und begann irgendwie ziellos auf den Schienen herumzuwandern, bis ein…ein Gendarm…eine Art Polizist, ein Dorfpolizist, mich angesprochen hat in einer Sprache, die ich nicht verstanden habe, halb Deutsch radebrecht und hat…hat mich mitgenommen zur nächsten Polizeistation und ein bisschen geredet dort und dann war ich eine Nacht dort. Und am nächsten Tag derselbe Polizist hat gesagt: „Geh’ zur Grenze!“ Und er hat mich bis zur Grenze gebracht und das ist – bei Spielfeld war…ist die Grenze gewesen und da war noch eine Tanksperre, also eine Art Niemandsland – und dann sagt er mir: „Du Austrianic, da, dort deine Heimat. Geh’!“

 

 

1/00:20:05

 

 

Und ich bin hinüber gegangen und komme dann an und da steht so ein gelangweilter SA-Mann und schaut mich an, sagt er: „Wos is? Wos is? [Was ist?]“ Habe ich gesagt: „I [ich] bin schon wieder da.“ Er hat nicht gewusst, was mit mir anzufangen und so…jedenfalls hat er gesagt: „Sitz’ da und warte!“ Und dann hat er…da waren so Holzschichte…scheitel aufgeschichtet und hat er gesagt: „Schlicht’ die zusammen.“ Also…habe sie zusammengeschichtet, dann hat er sie…mit dem Fuß sie umgehaut, sagt er: „Noch einmal.“ Das ist so zwei Tage lang gegangen. Und…er hat mir nicht weh getan, gar nichts gesagt und der Zug von Beograd [Belgrad] nach Wien hat dort…ich habe das bemerkt…hat dort ein paar Minuten Halt gehabt. Und ich springe auf diesen Zug und fahre in die falsche Richtung – weil zurück konnte ich nicht fahren nach Wien. Also bin ich falsch gewesen, und ich hatte dann noch zehn Reichsmark in der Tasche mit denen…es geht. [Nickt in Richtung seiner Frau, sagt etwas auf Hebräisch.]

 

[Räuspert sich.] Und ich sitze dort und der Zug war voller Soldaten und voller Kontrolleure. Ich war…kann nicht sagen frei, ich war total unsicher, weil man hat auch unter anderem die…also die Soldaten haben ihre Polizei gehabt und der Kontrolleur hat Fahrkarten verlangt. Und ich habe…ich musste sehen…ich habe keine Fahrkarte, ich habe das bissl [bisschen] Geld nur, es hat sicher mehr gekostet und – an das werde ich mich immer und ewig erinnern – ein Engel…eine junge Frau…die kann höchstens neunzehn, achtzehn, zwanzig gewesen sein, für mich war sie eine junge Frau. Die hat mich irgendwie beobachtet, hat kein Wort gesagt, der Kontrolleur ist gekommen und sie hat mir die Fahrkarte gelöst. Und zu meiner Scham muss ich sagen, wir sind bis Wien gefahren und ich habe nicht mit ihr gesprochen und nachher sind wir auseinander gegangen. Ich habe sie nie wieder gesehen. Ich weiß nicht, wer das war, ich habe das als den Engel für mich in Erinnerung.

 

Wir kommen um Mitternacht an, am Südbahnhof. Es war Ausgangssperre für die Juden, ab, weiß Gott, acht oder weiß schon nicht mehr so…es war…die Prinz-Eugen-Straße war ganz leer, es war überhaupt Ausgangssperre. Es war ja schon Krieg. Damit ich abschweifen darf, ich habe noch mit polnischen und französischen Kriegsgefangenen zusammengearbeitet am Bau, noch vorher, als ich…auf dieser Zwangsarbeit. Also, ich gehe die lange Prinz-Eugen-Straße herunter und komme bis zu meiner Mutter und klopfe an der Tür an. [Klopft.] Und diese arme Frau…also, wer klopft um Mitternacht an? – Die Gestapo. Sieht sie ihren Sohn vor sich stehen, den sie gesund in Sicherheit und Gesundheit gewähnt hat. Also, da war ich halt wieder und war dann in Wien ein sogenanntes U-Boot. Ich existierte nicht mehr, obwohl, ich bin wieder in diese Jugend-Alija-Schule gegangen, mit den Freunden getroffen und Geschichten erzählt. Und dann hatte ich irgendwie das unglaubliche Glück – was ich bis heute nicht erklären kann –, ein zweites Mal auf diese Liste zu kommen…die auswandern. Es kann sein, dass das damit zusammenhängt, dass…wir waren eigentlich staatenlos. Wir waren zwar österreichische Bürger, aber keine Staatsbürger, keine…das muss an meinem Vater gelegen haben. 1922 war der sogenannte Stichtag, an dem alle Bürger in dem, was von Österreich übrig geblieben ist, sagen mussten: „Ich will Österreicher sein“, oder: „Ich will Tscheche sein“, oder Italiener oder Pole oder was immer. Und wer nichts sagt, der kann da weiter wohnen, ist aber kein Staatsbürger, hat keine Staatsangehörigkeit…zugehörigkeit. Sodass…also haben sie gemeint, dass ich vielleicht gefährdeter bin als alle anderen, die österreichische Bürger waren. Und so habe ich eine Zeit lang dahin gelebt als U-Boot, bis es weiter gegangen ist. Zum selben [Josef] Schleich gefahren und…es war schon Hochwinter, ich hatte nur kurze Hosen an und mein Hemd und einen kleinen Rucksack und dann das Ganze noch einmal. Diesmal war es aber schwieriger. Da waren nicht nur Jugendliche, sondern es waren auch ältere Menschen aus Deutschland dabei, und andere…mit Koffern und mit Geld und man hat ihnen gesagt, man hat sie gewarnt: „Es ist gefährlich. Lasst eure Koffer stehen.“ Und die meisten…manche haben es gehört, manche nicht.

 

 

1/00:25:04

 

 

Und einer hat seinen Koffer geschleppt und wir sind dann durch diesen vereisten Wald gegangen und einmal ist auch eine Patrouille nachgekommen, da haben wir uns schnell…da haben wir uns zugedeckt mit Schnee und die sind vorbeigestampft und dann weiter gegangen. Und dieser Mann ist so über einen Holzscheit von einem Baum, einem gefallenen Baum gegangen und ausgerutscht und in die Tiefe gestürzt und den Schrei werde ich auch nicht vergessen. Keiner hat sich gekümmert um ihn. Betriebsunfall, sozusagen. Und dann sind wir…ich habe noch an die ganze…fast die ganze Reise, die ganze Wanderung, hatte ich ein kleines Kind auf den Schultern. Der war…weiß nicht, wie alt der war…drei oder vier Jahre alt und ich habe vor Anstrengung geschwitzt, aber der Schweiß ist mir sofort vereist am Körper. Also, wir sind dann wieder angekommen an der Drau. Dort haben diesmal ein paar Taxis gewartet und man hat uns zu drei Stück in…jeweils in den Kofferraum gesteckt und auf nach Zagreb.

 

Dort angekommen mit fast 40, 41 Fieber…aufgewacht bin ich in einem Krankenhaus, habe nicht verstanden, was die Leute reden und…ein Arzt, der konnte Deutsch, dann hat er gesagt, dass ich eine Lungenentzündung habe, dass es nicht so gut wäre. Und ich habe es überstanden natürlich, habe aber nicht gewusst, was weiter werden wird. Die Israelitische Kultusgemeinde von Zagreb, die ziemlich wohlhabend war, hat mich befreit dort und dann wurde ich untergebracht, jeweils eine Familie zum Schlafen – zum Wohnen sozusagen – und eine andere Familie zum Mittagessen. Zum Mittagessen und auch zum…also als Familienmitglied aufgenommen worden. Bei der Familie, bei der ich geschlafen habe – sie hießen Boroscht…und da schliefen wir. Da waren schon zwei von meinen Freunden, die waren schon da, und die schliefen dann im Doppelbett. Und da hat man mich noch in die Mitte gelegt, in die sogenannte Besucherkante, oder wie war das? Der eine hat geschnarcht, der andere hat gegrunzt, also es war auch…und bei der anderen Familie: Die hießen Kronfeld. Er war der Direktor von der Bank von Zagreb, ein hochgebildeter Mensch und sein Sohn Yasha hat mir versucht, die kroatische Sprache beizubringen. Weil ich war immer interessiert an Dialekten, an Sprachen. Und ich konnte mich nicht schlecht verständigen. Sodass ich konnte eigentlich schon Kinokarten kaufen – wieder Kinokarten – und…oder überhaupt…Busfahren oder…ein paar Worte sagen. Und dann ist unter anderem auch passiert, weil ich bin nicht…ich überspringe, ich hupf a bissl [hüpfe ein bisschen] herum – macht nichts aus.

 

Da sind wir…wir haben…natürlich haben wir Deutsch untereinander gesprochen. Und da kommt so eine Gruppe auf uns zu mit geheimnisvoller Miene und wir haben irgendwie verstanden, dass das…dass das Volksdeutsche sind. Sie konnten nicht…sie sprachen eine Art schwäbisches Deutsch und wir haben uns…also, wir wussten schon nicht, woher die kamen und sie haben geglaubt, wir sind ähnliche und wir haben gesagt "Pst, das ist ganz geheim.“ Also, die haben uns in Ruhe gelassen. Jedenfalls, eines schönen Tages mit meinem schwarzen Masel, wie man so sagt…das war mein zweiter Gefängnisbesuch. Da war eine Razzia. Eine Razzia ist, wenn man eine Straße von beiden Seiten hermetisch absperrt und schon langsam nach innen vorgeht. Und wer keine Papiere hat, keine gültigen: ab! Natürlich…ich hatte keine Papiere, ich war ja niemand. Und da kam ich ins Gefängnis in der ulica…weiß nicht, wie die Straße geheißen hat…im Gefängnis. Und war ein paar Tage dort, verschwunden natürlich. Man hat gemeldet, der ist verschwunden. Und ich habe dort mit diesen…mit den anderen zusammen…versammelte Zigeuner, und Volksdeutsche vielleicht auch…also, alle…alle möglichen Leute, Verbrecher vielleicht oder…alles war zusammengewürfelt. Eine Zelle, die vielleicht für zehn Leute bestimmt war, da waren wir 40 Stück drinnen oder so ungefähr. Und das Kunststück, das einer vollbracht hat…der hat mich am Boden liegend in der Nacht von meinem…meinem neuen Sweater, den ich geschenkt bekommen hatte, hat er mir ausgezogen, ohne dass ich aufgewacht bin. In der Früh wache ich auf, ich habe den Sweater nicht mehr an, jemand anderer trägt ihn. [Blickt sich suchend um.] Und da habe ich versucht, ihn zu hören, da sagt er: „Du, Ruhe! Austrianic, kusch [still]!“ Ok, habe ich gekuscht [war ich still].

 

 

1/00:30:03

 

 

Wir haben…ich habe Essen bekommen. Man konnte damals seinen Freunden oder Familie Essen schicken und die jüdische Gemeinde hat mir Essen geschickt. Das wurde hochgebracht, aber unterwegs haben die Wärter die Hälfte gegessen, die andere Hälfte haben die Gefangenen mitgegessen. Ich durfte aber unterschreiben zum Schluss als Empfang. War sehr lustig. Nach ein paar Tagen haben sie mich rausgeholt und ich war ein bisschen verlaust und so. [Lacht.] Aber das Leben…eigentlich wieder weiter gegangen. Es war…wir waren eigentlich frei, unbefangen. Ich konnte Post kriegen von meiner Mutter. Damals hat es noch solche Antwortscheine gegeben und sie hat geschrieben und ich habe ihr zurückgeschrieben. Es war natürlich zensuriert und ich habe ihren letzten Brief noch hier, in gotischer Schrift. Und da sagt sie: „Lieber Sohn, ich bin auf alles gefasst.“ Das waren ihre letzten Worte. Sie wurde nachher – was…wie ich vom Roten Kreuz nachher gelernt habe – wurden sie und meine Schwester nach Minsk deportiert und 1942 dort erschossen. Ich habe ein paar Briefe von ihr, von damals. Und drinnen kommen verschiedene Familienmitglieder vor, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe. Sie erwähnt einen Onkel Otto und einen Onkel Franz und…und die Tante Erna…weggewischt. Und dasselbe mit meinen Großeltern. Ich denke mir oft jetzt: „Lass dich hypnotisieren und…wer sind deine Großeltern gewesen?“ Ich habe keine Ahnung gehabt.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Ich habe nie gefragt und ich werde es auch nie wissen. Wir hatten eine Art Hausfreund in Rodaun, einen richtigen, spannenden Menschen, einen Proletarier. Er hatte in seiner Wohnung unten ein Schlafzimmer, eine kleine Küche und eine Hobelbank. [Deutet mit den Armen an.] Und das war…dieser Hausfreund von meiner Mutter. Und wir sind manchmal spazieren gegangen, herauf nach Mauer und in der Lange Gasse und haben über Politik gesprochen. Ich habe keine Ahnung natürlich gehabt von was sie reden. Und dieses Mauer, das war für mich etwas…von dem Fenster in Rodaun, wo ich im Winter rausgeschaut habe und im Sommer auch, hat das von Weitem ausgesehen wie das Paradies. So kleine Häuschen und im Grünen dann, und dann habe ich das gesehen eigentlich und habe gesagt „Ja, das ist…doch so eine Art Dorf.“

 

Wo sind wir stehen geblieben? Beim Gefängnis. Und dann kam der Tag, an dem wir weiterfahren sollten. Also: „Es ist aus, wir fahren endlich nach Israel.“ Wurden zusammengepackt und verabschiedet, so weit wir konnten, und sind über Beograd und Skopje weitergefahren. In Beograd sind wir…ist der Zug stehen geblieben und ich mit meiner neugierigen Nase bin ausgestiegen und herumgewandert, bin fast verloren gegangen. Gerade noch im letzten Augenblick noch von unserem…Madrich, unserem Jugendaufseher, erwischt worden. Der hieß Armando Moreno, der ist später nachher ein wichtiger Polizeifunk…nicht Polizeifunk…sondern ein politischer Funktionär geworden unter Tito und hat nachher in Los Angeles gelebt. Ich habe ihn…zweimal mit ihm nachher korrespondiert. Und so weiter und so weiter, der Zug ist gefahren, bis über die Grenze. Und kaum waren wir über die Grenze drüber – hat man uns nachher erzählt –, ist Deutschland einmarschiert in Jugoslawien. Und wir waren…über die Grenze und der Zug ist nachher irgendwo stehen geblieben und wurde von einem italienischen Flugzeug bombardiert. Hat nichts getroffen, aber wir lagen alle im Dreck, der Zug war versiegelt, wir sind durch die Fenster herausgesprungen, im Dreck gelegen. Und dabei sind alle meine Dokumente verloren gegangen. Die Bilder, die ich hatte und meine Zeugnisse von…war alles weg. Im Dreck gelegen und der Zug ist nachher weitergefahren. Und mit dem Zug sind wir weiter durch Griechenland, Türkei.

 

 

1/00:34:39 [Übergang/Schnitt.]

 

 

Wir sind in Istanbul…ich war scheinbar ein…so eine Art Lustknabe. [Lacht.] Also, ich habe knackig und lieb ausgesehen. Und mir sind immer Männer nachgerannt. Und dort in Istanbul waren wir auf der Insel Moda – Insel oder Halbinsel, ich weiß nicht, was das war – und dort war auch eine Pension, die hat so einem türkischen Juden gehört. Und wir waren dort. Und das war so…in der Mitte war so eine große Lobby, da war ein Sofa und da ist der Besitzer gesessen und hat so seine Wasserpfeife geraucht und…wir waren so in ein paar kleinen Zimmern verteilt, war nur ein Klo, aber das war am Ende vom Gang, da mussten wir immer bei ihm vorbei. Und ich war nur im Pyjama oder so, oder…Nachthemd hat es ja nicht gegeben. Und ich bin so vorbei an ihm und da ist er aufgesprungen und er wollte mich schnappen. Und da sind wir um dieses Sofa, um den Tisch herumgelaufen und die haben lustig zugeschaut, meine Freunde, was da los ist. Und ich war natürlich schneller als der. Zu Fuß war ich so schnell, dass ich praktisch hinter ihm her, bis er keine Luft mehr gehabt hat – hat sich hingesetzt. Das war mein erstes erotisches Abenteuer. Und dann sind wir eben weiter gefahren über Aleppo, [unklar] und sind nach Israel gekommen, Palästina, über die verschiedenen Grenzübergänge. Mit verschiedenen Erlebnissen unterwegs, nicht unbedingt--

 

LSY: --erzählen Sie ruhig.

 

CF: Egal. Ich kam hier nach Bat Galim, da war…damals hat es hier ein Bet Alija gegeben, so ein Auffanglager, weil ich hatte ein Zertifikat, eine Einreiseerlaubnis. Und von da an…ich muss nämlich noch sagen, dass ich bin ein Verräter, so wie man es mir vorgeworfen hat. Ich war im Tchelet Lavan in Wien, ohne zu wissen warum eigentlich. Weil ich dort Bekannte hatte, Freunde, sagten: „Komm zu uns!“ Und in Zagreb, da hatte ich jemanden getroffen, der war ein bisschen gescheiter als ich und etwas erwachsener und da bin ich zum Hashomer Hatzair übergetreten und habe mir nachher oft Vorwürfe gemacht. Ich bin eigentlich zweimal gerettet worden, ohne zu wissen eigentlich warum. Ich war weder gescheiter, noch schöner, noch reich oder was immer. Zweimal gerettet, wahrscheinlich auf Rechnung von jemand anderen. Und besonders nachdem ich eigentlich meine erstweilige Jugendgruppe verlassen habe, sozusagen aus politischen Gründen, kann ich nicht sagen, hätte ich…habe ich jemandem den Platz weggenommen. Weiß ich nicht. Es ist müßig, darüber sich den Kopf zerbrechen.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Dann kamen wir in den Kibbuz Gan Shmuel und wurden aufgenommen. Die versuchten mit uns Deutsch zu sprechen, weil etwas anderes konnten wir ja nicht. Und das waren die frühen Einwanderer, noch aus Weißrussland. So richtige Ur-Bauern. Das waren Typen, so was gibt es heute nicht mehr. Da hat es nur gegeben: die Arbeit und die Politik. Also, die Politik war dann immer…sie waren überzeugte Linke…also Hashomer Hatzair. Die sind damals dem Stalinismus sehr nahe gestanden. Aus denen sind leider auch manche Kommunisten heraus…hervorgegangen. Warum sage ich leider? Weil einer von ihnen war auch nachher ein Verräter und ein anderer ist in syrischer Gefangenschaft ermordet worden. Also, die haben uns nachher…es gab dort noch ein paar deutsche Einwanderer. Das waren…die waren später da. Es gab…die Russen, drüben waren die Polen und ein paar Rumänen und dann kamen auch ein paar Deutsche. Und ein Deutscher aus Hamburg, der hat uns Iwrit unterrichtet, und da war auch eine – die erste Haverat Knesset, die erste Parlamentarierin in Israel – die hat uns Hebräisch-Unterricht gegeben, aus dem Tanach, aber ohne den lieben Gott. Also wirklich so, wie ich ihn liebe. Das ist ein Geschichtsbuch, verlogen und erfunden und alles, aber ein Geschichtsbuch…so wie die Nibelungen…und da, nicht, genauso, darüber kann man sich auch unterhalten. Die hieß…Fayge Ilanit. Die hat uns…von der habe ich mein Iwrit. Seither habe ich…mehr habe ich nicht gelernt, außer vom Zuhören oder einfach…weil ich dafür ein offenes Ohr habe. Ich mag die Sprache sehr heute. Sie ist reich und ich finde, sie ist eines der größten Wunder, wenn man so sagen darf, in der Literaturgeschichte oder der Sprachengeschichte, dass eine tote Sprache plötzlich wie der Phönix zum Leben erstanden ist.

 

 

1/00:40:13

 

 

Es gibt Dialekte, es gibt eine wüste Sprache, eine Militärsprache, eine…also, ich bin wirklich begeistert davon. Die Schrift mag ich nicht. Mit dem Punkterl [Punkt] oben, dem Punkterl [Punkt] oben…ich habe in meinem ganzen Leben ein einziges hebräisches Buch gelesen. Genügt mir. Ich le-…auch…[Lacht.] Zeitungen lesen, ja ok, wenn man muss. Ich lese das auch nicht mehr. Also, und die haben…und dann hatten wir natürlich auch unsere sogenannten…ich will sie fast Politkommissare nennen, die uns unterrichtet haben in Dialektik und in…Marx und Engels mussten wir lesen. Es war zu viel für uns, wir waren überfordert damit. Und dann waren auch ein paar Polen, die konnten aber perfekt Hebräisch. Die kamen schon aus hebräischen Gymnasien in Warschau. Also, die waren uns weit voraus. Und die haben auch auf uns ein bisschen heruntergeschaut: „Ja, ihr…“ [Winkt ab.] Aber…es war eine Gemeinschaft…nicht schlecht. Was ich vergessen habe zu sagen: In diesem…in diesem Zug aus Jugoslawien, in demselben Zug war meine Frau. Ohne, dass ich sie gekannt hätte oder habe. Sie war im Hashomer Hatzair in Wien, aber ich habe…sie ist mir nie aufgefallen in Wien, ich habe sie nie gesehen…und wir haben uns später erst im Kibbuz kennengelernt. Ist eine längere Geschichte. Und dann haben wir geheiratet. Von unserer Hochzeit gibt es eine lustige…bei Gelegenheit schauen wir uns das an. Wir sind inzwischen über 69 Jahre verheiratet und es gab natürlich ups and downs und ich war leider unten…leider. Ich war immer noch…ich habe Angst vor meinem eigenen Schatten gehabt, obwohl ich abenteuerlich gelebt habe, aber ich war sicher, dass ich minderwertig bin. Das wurde einem so eingebläut in diesem…weil ich habe lang genug…bis [19]40 war ich noch im Nazigroßreich. „Die Juden sind Ungeziefer und Ratten. Sie müssen ausgerottet werden!“, und, und, und: „Sie sind Bolschewiken und sie sind Kapitalisten und sie sind Blutsauger und sie trinken Christenblut“, und alles…und: „Wir sind nichts wert“. Also, das hat…manche…an manchen ist das vorbeigegangen. Manche sind herausgekommen. Auf mich…auf mich hat das irgendwie total…weil ich hatte keinen Rückhalt. Ich hatte keinen Vater, meine arme Mutter hat mir auch nicht helfen können. Und es war niemand da. Also, heute bin ich da und wir unterhalten uns darüber und ich bin heute frei…mehr oder weniger. Irgendwas hängt immer noch hinten, wenn ich in einen öffentlichen Raum komme, in eine Bank zum Beispiel oder in einen…wo ich mich vorstellen muss. Da räuspere ich mich vorher erst und mache... Und ich gehe und kein Mensch schaut mich an: „Kann ich Ihnen helfen oder was?“, weil dem anderen…dem großbewachsenen, breitschultrig…„Ja, was kann ich für sie tun, was brauchen sie?“ [Lacht.] Das kann ich auch noch. Meinem Sohn wird so was nicht passieren, der ist 1,80 Meter und der…[Lacht.] Inzwischen bin ich darüber hinweggekommen und ich kann sagen, dadurch hat mich meine…mein letzter Arbeitgeber, der hat mich – ohne dass er etwas dazu wissend getan hat – hat mich befreit. Vielleicht komme ich gleich dazu.

 

Also, in dem Kibbuz ist es weiter so zugegangen. Wir waren Jugendliche, wir waren unreif und da haben die uns mit diesen Proletariats-Sachen belastet und…aber wir haben immerhin…wir haben…wir waren jemand. Wir haben gearbeitet. Ich habe damals als Jugendlicher, was natürlich heute hochverbrecherisch gewesen wäre, ich habe im Kuhstall gearbeitet…fürchterliche Angst gehabt vor diesen Riesenviechern. Aber ich habe sie betreuen müssen und habe sogar über…über den Viechern geschlafen, in so einem Dach…und da habe ich 100-Kilo-Säcke heraufgeschleppt die Treppe, mit meinen sechzehn, siebzehn Jahren. Also, ich habe gearbeitet und dann war ich Traktorist und habe am Feld gearbeitet, so wie es sich gehört, so wie es auf diesen Postern gewesen ist. Der neue…der neue Jude. Kein [unklar] mehr. Und dann hätten wir in einen anderen Kibbuz, ein Jahr als…das hat Hachschara geheißen…um sich einen anderen Kibbuz von derselben politischen Bewegung, auch vom Hashomer Hatzair, anzusehen und nachher zurückkommen und volle Mitglieder werden.

 

 

1/00:45:06

 

 

Und inzwischen ist mir der Kampfgeist zu Kopf gestiegen, sage: „Ich muss gegen Hitler kämpfen. Ich, persönlich.“ Und mit einem anderen Freund…haben wir beschlossen…wir haben uns auch verleiten lassen von diesen…da gab es so in den Zeitungen: „Join the Navy and see the world.“ [Hebt Hand zum militärischen Gruß.] Ein Matrose, der weit über das blaue Meer blickt. Wir wollten das. Und damals in diesem Kibbuz Nir David…Tel Amal kennst du vielleicht, das ist hinter dem großen Gefängnis in…das ist im Emid Israel, nicht weit von Bet Sche’an. Und dort gibt es eine Reihe von Kibbuzim…Bet Alpha kennst du vielleicht auch. Und Tel Amal ist ein Kibbuz weiter. In Tel Amal gibt es diese Ausgrabungen, das Mosaik. Und…da gab es einen Autobus von Egged und der Fahrer war ein Kibbuz-Mitglied. In der Früh ist er weggefahren mit den Leuten, die was zu tun hatten in der Stadt irgendwie, und am Abend hat er sie wieder zurückgebracht. Und da musste man sich eintragen in eine Liste für den Nachtwächter, damit man aufgeweckt wird, um zur Zeit zurechtzukommen, damit man…aber wir haben schon vorher gesagt: „Wir wollen in die Navy gehen.“ Und…das war aber so eine geschlossene Gemeinschaft, wo ich fürchterlich gelitten habe. Denn ich war ein loner…ich war einsam. Und sie haben…und das war damals so: „Du machst nichts, was dir einpasst.“ Die Chevra sagt das, also die Gemeinschaft, das ist…die sind…einer für alle und alle für einen. Natürlich waren alle für einen da. Und wir haben unsere Namen eingetragen und sind schlafen gegangen. Wachen in der Früh auf…alles zu spät…der Autobus ist weg, alles ist weg und wir sehen, man hat unsere Namen durchgestrichen. Haben wir gesagt: „So!“ Wir haben uns zusammengepackt – wir haben ja nichts besessen – und sind über die Felder gerannt…das war damals noch total landwirtschaftlich…zur Hauptstraße und sind dort per tramp…also per Mit…nach Haifa gefahren und haben uns für die königliche Marine gemeldet. Und von da an ist es weitergegangen.

 

Und dann haben wir geheiratet. Die Hilde und ich. Die Hilde ist im Kibbuz zurückgeblieben, ich war aber schon in Uniform. Aber es war verpönt: „Ihr heiratet, das geht nicht. Was heißt heiraten? Ihr könnt zusammenleben wie viel ihr wollt, aber heiraten und so, das ist bürgerlich und alles.“ Damals…daher habe ich keinen Ehering. Erstmals, weil ich kein Geld hatte…und die Hilde hatte einen gehabt, den hat man geschenkt und…mein Commanding Officer ist mit mir extra gefahren in so einem Militärwagen, um zu sehen, von wo ich herkomme und was das für ein Hintergrund ist. Und…ich bin abgezogen in den Krieg. Und die Hilde ist zurückgeblieben, ein armes Hascherl [armes Wesen], wie man so sagt. Und sie ist nachher auch in die Stadt gegangen und hat sich…das ist vielleicht eine extra Geschichte, die man…wenn du sie mal interviewen willst. Jedenfalls…es war ihr nicht gut, allein in der Stadt zu sein. Und ich war auf einmal wieder…ich war in einem Abenteuer. Ich war in der britischen Marine, ich hatte eine Uniform, ich musste salutieren, ich musste alle möglichen Sachen machen…es war sehr fröhlich. Und eine neue Sprache lernen. Und da bin ich das dritte Mal in einem Gefängnis gesessen, also, in einem Militärgefängnis. Eigentlich nur, weil ich meinen eigenen Namen nicht beim Aufruf erkannt habe. Ich heiße ja Fuchs. Nur für einen Engländer Fuchs zu sagen, da hat er: „Fuge on the double.“ Wer der „Fuge“ ist, weiß ich nicht. – Ich war der „Fuge“. Dreimal aufgerufen worden. „Du bist nicht erschienen. Ab mit dir, vierzehn Tage ins Gefängnis.“ Also nichts Arges.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Ja, also gut, Militär: Wir haben dort gesessen, wir haben vierzehn Tage abgerissen, Zwiebeln und Kartoffeln geschält und versucht, mich mehr oder weniger…beginnen zu verständigen. Ich habe nie richtig Englisch gelernt. Heute kann ich es gut genug, ich war in der Jerusalem Post sogar als Reporter eine Zeit lang. Das war nachher, nach meinem…ich habe für die englischen Soldaten nachher Liebesbriefe nach Hause geschrieben, die sie selbst nicht im Stand waren zu verfassen. Das so nebenbei. Und dann waren wir, was vielleicht interessant ist für dieses Interview…in Tobruk bekam ich eine schwere Gelbsucht. Und das war schon, nachdem [Erwin] Rommel zurückgedrängt wurde – also Tobruk war schon in britischer Hand, und Bengasi. Und ich war eigentlich dort bei einer Minen-Such-Patrouille. Da haben sie uns auf so kleinen Booten ausgesetzt – Holzboote, damit die nicht…die Magnete nicht die Minen anziehen. Es war ziemlich primitiv. Also, ich hatte schwere Gelbsucht und wir hatten diese Krankenanzüge an, so gestreifte. Und das Interessante war, dort waren hunderte, wenn nicht tausende von italienischen und deutschen Kriegsgefangenen.

 

 

1/00:50:54 [Übergang/Schnitt.]

 

 

Und ich fand plötzlich, dass ich mit diesen Kriegsgefangenen mehr gemeinsam hatte als mit meinen englischen Mitkämpfern. Wegen der Sprache. Und auch…die Engländer haben auch eher auf uns herabgesehen. Sie hätten es nicht getan, wenn wir ein anständiges Englisch gesprochen hätten. Aber wir haben Kauderwelsch…dort…also das war…

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

…etwas, so was middle-eastern junk. Und mit den…aber es war natürlich verboten, sich zu fraternisieren. Das war hochverboten. Also mit den Gefangen…wir, die Engländer, mit den Gefangenen…kein Wortwechsel! Aber trotzdem. Und nachher habe ich mir so gedacht: „Mensch, da sitzen wir, haben auf uns gegenseitig geschossen und haben uns vielleicht in unserer Jugend…vielleicht ist einer von denen in dieselbe Schule wie ich gegangen. Muss nicht unbedingt ein Österreicher gewesen sein. Was weiß ich, wer.“ Und…meine Heimat…oder „Wer sind meine…wer ist mein Volk? Wer bin ich?“ Ich habe immer zwischen Österreich, Deutschland, Israel, England herum…also dann… Die Italiener, mit denen ging es richtig leicht, das waren fröhliche Leute: Krieg verloren, also umgetreten. Die haben sich aus den…aus Schrapnellen Schmuck…Ringe gemacht und Bronzesachen und Gitarren gebaut, und gesessen und gesungen. Die Deutschen sind stur herumgesessen. Das war eine meiner interessanten Erfahrungen.

 

Ja, nachher bin ich doch befreit worden von dort, nach der Gelbsucht. Und vorher noch…das waren natürlich am Meer…da war eine riesen…das war ein natürlicher Hafen. Dort lagen mindestens 40 oder 50 versenkte Schiffe. Alle entweder…und Leichen sind herumgeschwommen dort – da hat sich niemand drum gekümmert – und Haifische waren. Und dort habe ich mir selber das Schwimmen beigebracht. [Fasst sich mit dem Finger an die Stirn.] Zuerst…und…die Haifische waren ja nicht interessiert an so etwas wie mir. Da hat es billiges Futter gegeben, da muss man sich nicht anstrengen. Und die Matrosen haben nach Haifischen gefischt mit Dynamit. Sind hinaufgegangen auf eines von diesen Schiff…die heraufgeragt haben und haben – wenn sie einen gesehen haben – haben sie einen stick dynamite reingeworfen. Und einmal ist auch ein Matrose da zufällig herumgeschwommen und den hat es natürlich erwischt statt dem Haifisch. „Macht nichts, einer weniger. Betriebsunfall.“ Nachher bin ich dort als gesund entlassen worden und bin mit einem Lastwagen herumgefahren mit Schwarzafrikanern, die eigentlich auch in britischer Uniform waren, um…irgendwelche Militärgeschäfte zu machen. Dann bin ich zurückversetzt worden nach…nein, das war noch ein anderes.

 

Dann bin ich einmal auf Heimaturlaub gefahren. Auf Heimaturlaub, das kriegt man alle Male mal. Und dieser Zug, der begann irgendwo in Tripoli, ist durch ganz Nordafrika gefahren, durch ganz Ägypten, durch die Sinai-Halbinsel bis nach Haifa. Der war zwei Wochen unterwegs. Und wir Matrosen, wir hatten…wir hatten diese hammocks, diese Hängematten. [Deutet mit Händen an.] Und die haben wir uns an den Gepäckträgern aufgehängt und drinnen geschlafen, friedlich. Und die anderen, die Infanteristen sind so krüppelig oben gelegen. Die haben sich aber gerächt, wenn sie unten durchgegangen, dann haben sie mit den Stahlhelmen immer gestoßen. [Lacht.] Wenn ich das so erzähle…es war…ich weiß nicht, es war immer noch ein Abenteuer, irgendwie alles so…irreal. Ich habe ja seinerzeit in meinen Büchern…ich habe…in dem Waisenhaus waren so viele Bücher. Das ist…war mein Glück. Was habe ich dort gelesen? Dostojewski, Tolstoi, Gogol – also, in Deutsch natürlich. Und Victor Hugo und Gustav Freytag – obwohl ich nachher draufgekommen bin, dass das eigentlich ein grauslicher Kerl war. Aber…das meiste habe ich sowieso vergessen. Aber das hat mir…das hat mir mein Deutsch gegeben. Mein…mein Zugang zur Literatur…Gedichte. Also, ich…gehen wir wieder zurück. Wo war ich? Keine Ahnung.

 

 

1/00:55:27

 

 

LSY: Sie sind…Heimaturlaub.

 

CF: Zum Heimaturlaub: Natürlich…wenn wir durch Ägypten gefahren sind, durch diese…das ist das ehemalige Ägypten damals, da sind wir durch das Delta gefahren, das war – die Häuser waren oft bis sechs, bis acht Stockwerke hoch, aber aus Lehm gebaut – furchtbar. Und da haben wir uns gesagt: „Fenster zumachen, trotz der Hitze, es ist uns wurscht [egal], oder…weil da wird euch…sie bestehlen euch wie die Raben, die da.“ Und…also, mir ist nichts gestohlen worden. Und nachher sind wir weiter gefahren, schön langsam, durch…in der Halbinsel Sinai, in Kantara [El Quantara], hat der Zug einen langen Halt gemacht und mir war sauschlecht, es war mir so schlecht. Und da bin ich dort in die…in die sick bay gegangen, das heißt diese…zum Sanitäter gegangen und ich hatte 41 Grad Fieber und alles Mögliche. Und der hat gesagt: „Du bleibst da, du kannst so nicht weiter fahren, das geht nicht.“ Sage ich: „Meine Sachen sind da drinnen und mein hammock und alles.“ Nein, nichts war. Er ist rausgegangen, ich bin durch das Fenster gesprungen – es war eine Baracke, eine grüne, ich konnte durch das Fenster springen –, weil ich musste nach Hause zu meiner Hilde. Und der Zug ist abgefahren mit mir. Ich hatte Bauchtyphus…ich hatte Bauchtyphus, was fast niemand gewusst hat. Damals gab es noch kein Penicillin. Es gab schon, aber nicht…und ich kam an in Haifa, fröhlich, es ist mir besser gegangen und bin zu dieser Familie gegangen, bei der die Hilde als Hausmädchen gearbeitet hat. Und wir sind ins Kino gegangen am Abend. Ohne…ich wusste, es ist mir schlecht an sich, aber ich hätte ganz Haifa verpesten können, aber…und es ist mir schlechter und schlechter geworden. Nachher habe ich gesehen, meine Urlaubstage verschwinden mir. Habe ich mich gemeldet bei der…bei meiner Marinestation und die haben mich nachher abgeholt mit einem…mit einer Ambulanz und haben festgestellt, habe ich…zuerst einmal haben sie mich gelegt in eine gemeinsame Baracke, in der, weiß ich, 40 oder 60 Soldaten gelegen sind in so…und nachher haben sie mich in Isolation geschickt. Also, ich war…vier Monate…wie ich irgendwie nachher…zu mir gekommen bin, konnte ich nicht gehen, musste ich von neuem…musste ich lernen, mich zu bewegen und zu gehen. Und das war mein letzter…meine letzte militärische Leistung. Also, ich habe gegen die Wanzen gekämpft und gegen die Flöhe und gegen die Läuse und dann gegen die…gegen den Typhus. Und gegen…und habe ihn irgendwie besiegt. Was soll ich weiter sagen? Ja, nachher bin ich entlassen worden, ehrenhaft. Ehrenhaft entlassen worden. Bekam vom König…ja, warum haben wir überhaupt geheiratet? Ich habe gesagt: „Heiraten ist a [ein] Blödsinn, an sich ist ja…aber ich überlebe es sowieso nicht.“ Rommel ist damals noch kurz vor Kairo gestanden. „Ich muss kämpfen. Ich muss, ich muss, ich muss. Ich werde sowieso ein Kriegsheld werden oder was und da kriegst du von König George fünf Sterling Pounds als Witwenrente.“ [Greift sich mit dem Finger an die Stirn.] Und das Papier, sage ich, das Papier das ist…das ist ein Papier, das ist gar nichts.

 

Jetzt unsere Hochzeit: Das war ein Schlager. Ich war in Uniform schon und die Hilde hatte keine…nichts zum Anziehen, nichts Passendes irgendwie. Und der Rabbiner war der billigste, den wir finden konnten. Der trug auch so einen Schtreimel, kennst du das? In der Akibastraße und…wir haben uns dann angemeldet und wir heiraten. „Wo sind eure Zeugen?“ „Ich kenne niemanden.“ Ich habe zwei Leute mitgebracht. Einer, der war mit mir im Waisenhaus, der hieß auch Fuchs, war aber nicht mein Bruder. Wir haben uns eine Zeit lang als Brüder ausgegeben. Er und noch einer. Und der Rabbizen hat gesagt: „Das ist kein Problem. Wartet einen Moment.“ Man musste ja zehn Zeugen haben…zehn oder sieben, ich weiß schon nicht mehr. Und ist sie gegangen…hat in Makolet…kommt heraus, eine gute Tat, eine Mizwe. Eine Mizwa, weißt du, das ist eine gute Tat. Und als Zeuge sein. Und da hat er wieder was…die sind gekommen, haben dann bestätigt, dass sie haben gesehen, dass die zwei heiraten miteinander und dann…ich habe diesen Zirkus miterlebt. Ich habe nicht gewusst, was mit mir los ist.

 

 

1/01:00:14

 

 

Ich bin in der Mitte gestanden…oder die Hilde ist in der Mitte gestanden. Einer von uns beiden ist um den anderen herumgegangen, sieben Mal. Ich glaube, ich um sie…oder sie um mich? Ich weiß nicht mehr. Und dann hat er gesagt: „Wo sind eure Ringe?“ „Ringe?“ Wer hat im Kibbuz… „Wer hat einen Ring? Wir haben keinen Ring.“ Wieder: „Was macht man? Was macht man? Das geht doch nicht so.“ Der Rabbizen sagt: „Ganz einfach. Hört zu! Der Rabbiner hier, der hat hier zwei Tücher. Ein Tuch gibt er deiner Zukünftigen, ein Tuch gibt er dir. Das sind somit deine…eure Ringe. Dann tauscht ihr diese beiden Ringe: Du gibst ihr dein Tuch und sie gibt dir dein Tuch und dann gibst du es dem Rabbi zurück.“ Habe nichts verstanden. [Lacht.] Habe…das waren die Ringe, das war die Hochzeit. Und ein…einen kurzen Augenblick rausgegangen und ich in meiner…ich hatte so eine Militäruniform an, ein Käppi und alles. Und habe gedacht: „Probierst mal, wie du ausschaust mit dem Schtreimel.“ Und habe mir den Schtreimel aufgesetzt. [Deutet an.] Und er hat mich erwischt nachher, aber er hat nichts gesagt. Das war unsere Hochzeit, sehr amüsant.

 

 

Ende von Teil 1

 

 

Teil 2

 

 

So, jetzt bin ich befreit vom Militär…was macht man, von was lebt man? Ich hatte ja diesen Anzug bekommen, einen schwarz-weiß-gestreiften, so wie man…das heißt civvy…was die Engländer civvy street genannt haben. Also: „Du bist jetzt ein civilian.“…so etwas, das in Israel kein Mensch trägt, noch dazu ein Kibbuz-Mitglied. Das habe ich bekommen und glaube ich zehn Pfund oder irgend so was und eine Medaille…zwei Medaillen sogar. Die habe ich nachher meinem Enkel geschenkt zu Purim. Ja, von was lebt man jetzt? Ich habe alles gemacht: Ich war Taxifahrer, ich war Lastwagenfahrer, ich habe auf einem schweren Traktor gearbeitet, ich habe…ich war Möbelpacker, ich habe über einem Öl-Bohrer…ein Jahr lang auf einem oil rig gearbeitet, so wie sie diese Amerikaner…furchtbar. Und ich habe alles gemacht und auch…also, ich konnte anständiges Englisch. Und ich konnte auch…ich bin der schlechteste Rechner, den es nur gibt, aber ich habe nachher bei Nacht auch gearbeitet für die Barclays Bank. Diese große englische Bank, die hatte hier eine Filiale und nur lange Listen zu richten, die sich unten nicht ausgegangen sind, einfach weil man zwei Nummern verwechselt hat…und das zu checken. Und in der Früh aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Hilde hat gemeint, dass…ich hätte Potenzial in mir: „Geh’ und lern' etwas! Mach was aus dir.“ Ich habe mich nicht getraut. Ich habe gesagt: „Ich bin zu blöd. ich kann nicht, ich bin nichts.“ Und habe gearbeitet. Sie hat an mich geglaubt. Irgendwie ist doch irgendwas aus mir geworden. Ich habe nachher…ich habe nachher für die Jerusalem Post als Reporter gearbeitet. Nicht als Journalist, ich war sozusagen der…die zentrale Stelle für den ganzen…von Chadera bis rauf nach Kirjat Schmona. Viel ist nicht los gewesen damals. Da hat es solche sogenannte stringers gegeben. Ein stringer ist jemand, der arbeitet für eine andere Zeitung, für Davar oder für…was immer. Und hat seine Meldungen…und ich habe das übersetzt und mit dem Teleprinter nach Jerusalem weitergegeben. Das habe ich auch gemacht bei Nacht. Also, manchmal habe ich drei, vier verschiedene Arbeiten am selben Tag gemacht. Und Taxi gefahren noch, teilweise.

 

Und ich hatte mich einmal vorgestellt bei der ZIM [Israel Navigation Company]. Die ZIM, das ist die israelische Schifffahrtsgesellschaft, die nationale. Die gibt es heute eigentlich nur unter dem Namen von dem [unklar]…von den Brüdern…von den Brüdern [Ofer Brothers Group] – Der Kopf. [Denkt nach.] Ich bin am Weg zu Alzheimer. Muss sagen…es entfällt mir hin und wieder etwas. – Und ich melde mich dort und sie haben gesagt: „Ja, du würdest passen, ja. Und ruf uns…do not call us, we call you.“ Und ich blödsinniger Jecke, ich sitze und warte und warte und es passiert nichts. Und nach einem Jahr oder so was ungefähr, habe ich gedacht, stellst dich neuerlich wieder vor. Und ich komme dort hin, sitzt jemand anderer dort und sagt: „Ja, ok. Eigentlich, du bist ok.“ Sage ich: „Ich habe mich hier schon einmal beworben.“ Sagt er: „Wo und wann?“ Sage ich: „Vor einem Jahr beim Herrn Fischbein.“ „Ach“, sagt er, „vor einem Jahr. Nach einem Jahr hauen wir alles weg.“ Also alle Anwärter.

 

Dann war ich bei der ZIM angestellt jetzt. Und jetzt geht es los irgendwie. Bei der Jerusalem Post war ja nie viel los. Und da war ich Mitglied von etwas…was bekannt…was noch heute existiert: ein Penfriends Club, das heißt…Schreibfreunde International. Und in der Jerusalem Post sind immer Listen von Leuten erschienen, die korrespondieren wollen. Und ich habe mit etlichen zwanzig Leuten damals korrespondiert. Bis ich nicht mehr gewusst habe, was ich wem geschrieben habe und was und wer das überhaupt ist und ich bin hängen geblieben mit einer aus Chicago. Ein total verrücktes Wesen, das haben wir später zu leiden bekommen. Und zur selben Zeit war eine Ausschreibung von der Fluggesellschaft TWA [Trans World Airlines]: „Why do I want to visit America?“ Und man sollte so und so viel schreiben…eine Kolonne schreiben. Und die Ausschreibung war für…weltweit, also jeweils für einen Kontinent. Für Australien, Asien, Afrika…der Nahe Osten war irgendwie extra. Und so weiter. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe den Preis gewonnen für Israel. Ich habe noch die etwas kindliche Reportage, die ich dann in der Jerusalem Post nachher geschrieben habe. Ich habe noch das…das ist aber zusammengefallen, diese…dieser Flug nach Amerika…und zur selben Zeit wurde ich in der ZIM aufgenommen. Etwas, was damals…das hat man sich nur erträumt, um Gottes willen, dort aufgenommen zu werden. Dann bist du abgesichert fürs Leben. Und ich mit meiner Abenteuerlust…

 

 

2/00:05:24 [Übergang/Schnitt.]

 

 

24. Februar 2014

 

 

CF: Ja, ich habe also die Bestätigung bekommen, dass…die Fahrt ist bezahlt, ich kann fliegen. Und zur selben Zeit bin ich auch bei der ZIM angestellt worden. Sie haben nachher gesagt: „Okay, fahr! Sind sowieso nur ein paar knappe drei Wochen. Fahr! Kommst du zurück, wirst du mehr Erfahrung haben, wie es im Ausland zugeht.“ Und ich komme zu Hilde, die liegt da nach dem…nach der Blinddarmoperation und ich sage ihr…wie ich es halt gesagt habe, ich weiß nicht mehr wie. Jedenfalls, lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin geflogen, überglücklich. Bin geflogen, über London nach New York. Und war dort verabredet mit dieser Freundin, mit der Ann Marshall Lee. Und ja…losgeflogen. Und hier war das natürlich…das war im Februar. Und ich wusste, dass…in Amerika ist es eiskalt natürlich und habe mir von jemandem einen…das hat in Wien immer Schnellfeueranzug geheißen. Das ist aus Flanell…eine Hose, so eine Art…also, ein ganzes Outfit. Ein Flanell…und darüber einen schwarzen Anzug und bin losgefahren. Bin in New York angekommen und sie hat mir gesagt: „Ich stehe da oben auf der visitor’s gallery.“ Und ich habe…ich wusste nicht, wie sie aussieht. Ich hatte, glaube ich einen roten…oder grünen Mantel hatte ich an und so weiter. Ich bin sowieso farbenblind. Also, komme an und ich gehe heraus und ich sehe, oben stehen Leute. Und ich winke herum und wollte rausgehen. Kommt ein schwarzer Beamter auf mich zu und sagt: „Bitte kommen Sie mit mir.“ Ich dachte, was ich verabredet habe…und sagte: „Bitte leeren Sie alle Ihre Taschen aus. Was alles drin ist.“ Ich hole heraus alten Papierkram und ein paar…wie halt ein Israeli in den Taschen. Er hat weiter nichts gesagt. „Okay, stecken Sie alles ein.“ Aber ich wollte ihn fragen, was los ist. Da sagt er: „Fragen Sie lieber nicht. Das ist…“ Es war irgendwie…ich glaube nicht, dass ich verdächtig ausgesehen habe. Und die war ganz außer sich, wie wir uns getroffen… „Wo warst du, um Gottes willen?“ Ich weiß nicht mehr, wie ihr Mantel wirklich war. Und sie hat Konzertkarten gehabt, weil die ist ein richtiger Opernfreak. Zu diesen Opern ist sie immer gegangen, denn sie war Garderobendame. Dadurch hat sie sich diese Freikarten…und hat zwei Karten gehabt für uns beide. Zur Walküre von [Richard] Wagner.

 

Und ich komme so wie ich war. Das war ein Flug…damals ist man noch mit einem 707 geflogen – ein langsames Flugzeug gewesen. Mit Zwischenlandung in London. Und die Phase nach…zum Flughafen und das Warten und hin und her. Ich weiß nicht wie lange ich unterwegs war, zwanzig Stunden oder irgendsowas. Und bin natürlich während der Oper schon langsam abgesackt. Sie hat mich gestoßen, wie kann ich nur im Wagner…und so weiter. Und das war sehr…inzwischen bin ich ein Wagner-Fan geworden, ich gebe es zu. Seit einem halben Jahr sehe ich hier im Mezzo…das ist phantastische Musik, besonders die orchestrale. Die vokale Musik, die mag ich weniger, die ist mir zu teutonisch. Hin und wieder gibt es Walküre, die Meistersinger. Bist du ein Opernfan? So wie mit dem Autofahren: halb. [Lacht.] Jedenfalls…ich liebe Opern, ohne ein Musikologe zu sein. Ich liebe einfach Musik überhaupt und bin…spezialisiere mich nicht auf irgendwas. Lehne volkstümliche Musik nicht ab. Ich liebe brasilianische Musik, Blues, Jazz, was weiß ich…georgische Mönchschöre. Alles. Was mir gefällt! Ohne Vorurteile zu haben. Und Wagner habe ich eigentlich nicht…ich war nie gegen Wagner. Einfach nur, weil Hitler ihn geliebt hat oder weil er Deutsch gesprochen hat. Weil hier war diese Atmosphäre…Jahre, bis heute: „Das Symphonieorchester darf nicht Wagner spielen. Denn, um Gottes willen, dann würden die…“ Aber es wird gespielt hier und im Fernsehen gibt es… Das ist phantastische Musik. Und ich kann mir…die Nachkommen von Wagner nicht vorstellen, ob sie [Gustav] Mahler heißen, oder wer immer. Also das…er ist ein Genie. Und ein unsympathischer, miserabler Mensch. Und zum Schluss, meine Musik…mein Musikerfreund, der Cellist in Klosterneuburg, der hat mir gesagt…es ist ja bekannt, aber es wird unter den Teppich gespielt, dass Wagner jüdisches Blut hat. Seine Mutter war nicht mit ihrem Mann…so, weiß Gott was…und hat einen jüdischen Freund gehabt. Und er sagt: „Hast du nicht seine Nase gesehen? An der Nase erkennt man den.“ [Lacht.] Du siehst, ich schweife gerne ab.

 

 

2/00:10:48

 

 

Es war herrlich nachher, diese siebzehn Tage. Ich bin nach Hause gewankt in dieses Hotel. Und draußen war minus, weiß nicht, fünfzehn, sechzehn, siebzehn Grad und air conditioning war full an, mit den Fenstern offen. Das war Amerika. Und wir haben alles gemacht. Wir sind in…was eben New York überhaupt zu bieten hat. Und dann sind wir auch nach Chicago geflogen, weil das war drinnen im Programm. Sie kam nämlich aus Chicago. Und nachher bin ich zurückgekommen und habe bei der ZIM begonnen, als blutiger Anfänger. Ich war immerhin schon…ich glaube, ich war schon über…bald 40. Heute hätte ich diesen Job nie gekriegt, nie im Leben. Und ich habe unten angefangen im Passagierdienst. Und schon langsam…es hat nicht lange gedauert, da ist der Sechstagekrieg ausgebrochen. Stimmt überhaupt nicht! [19]62…ja, stimmt, [19]67! Und ich war natürlich einberufen als Reservesoldat. Und so viel Tote gesehen und Unglück und…rauchende Panzer und verwüstete Dörfer…ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich weiß nicht, da war auch ein Angebot im Pressebüro von der ZIM. Habe ich mich gemeldet und wurde akzeptiert. Und dann ruft mich der general manager von der ZIM in sein Büro und ich denke mir: „Was will der mir jetzt sagen? Dass ich da…“ Der hat sich überhaupt nicht gekümmert. Sagt er: „Fuchs, wir finden, dass du der richtige Mann für unser Pariser Büro bist.“ „Ah!“, ich mit dem Mund offen… Paris damals, das war ein Traum für Israelis, die kaum…sowieso ist niemand nach Amerika geflogen und nach Paris auch nicht. Und so bin ich nach Paris gekommen. Und dann haben die gesagt: „Weißt du, dort gibt es wirklich gesellschaftliche Probleme. Dort ist einer, also dein Vorgänger, der ist nicht akzeptiert von den Angestellten dort, Und es gibt dort Probleme und die Sachen funktionieren nicht und wir finden, du bist der richtige Mann. Und wenn du kein Französisch kannst, kein Problem, jeder spricht Englisch dort.“ In Frankreich in den [19]70er…in den [19]60er-Jahren, da sprach man lieber Deutsch – das hat mich sehr gewundert, der Erbfeind – als Englisch. Englisch…die haben schließlich die Jeanne d’Arc verbrannt, auf dem Scheiterhaufen.

 

Also es hat begonnen, sehr lieb. Erstens einmal hat der Vorgänger von mir, der hat sich abgesondert, der ist nicht mit den Leuten an einem… Das war nämlich so ein runder Tisch und die verschiedenen Abfahrt…Schiffe waren jeweils eingeteilt. Und das hat sich so gedreht und dann hat jemand auf den Tisch…man hat dort bestellt. Und die haben untereinander nicht geredet. Der hatte die Atmosphäre total kaputt gemacht. Und erst mal bin ich mit ihnen sofort gesessen. Und nach einem Monat habe ich gesagt: „Hört auf mit diesem blödsinnigen Spielereien! Erstens einmal: Ab heute wird mit mir nur Französisch gesprochen. Ihr könnt mir ohne Weiteres meine Fehler, die sicher kommen werden…und mir helfen. Und ich werde mit euch auch Französisch reden. Und hört auf, miteinander Zettelchen zu reden! Passe-moi ce bâteau! Et passe-moi ça! Was ist denn hier? Ihr arbeitet da?“ Habe ich sie alle eingeladen damals und sind wir irgendwo draußen essen gegangen. Und es war toll. Und so…wir haben uns in Paris verliebt. Paris ist natürlich nicht Frankreich, aber wir haben es genossen. Und dann, dreieinhalb oder vier Jahre später…in einer großen Gesellschaft gibt es immer diese Dominosteine: Einer fällt und alles rutscht ab nachher. Da musste jemand aus Palästina zurückkommen und seine Frau wollte nicht sofort nach Israel gehen und sie wollte nicht nach Frankreich gehen, sondern sie wollte nach England gehen. Und in England war jemand anderer, haben sie gesagt: „Weißt du was, Fuchs?“ Meine gescheite Gesellschaft, sagt sie: „Ah, Fuchs, du kannst ja eigentlich Deutsch! Da schau an!“ „Guten Morgen!“ Die müssen das gewusst haben. „Du kommst in unser Büro nach Frankfurt.“ [Räuspert sich.]

 

 

2/00:15:12

 

 

Die Hilde war am Boden zerstört. Frankfurt…also für sie, Deutschland damals, das war ein Begriff von…nicht der Hölle, aber etwas Furchtbares. Und wir hatten einen Cousin…sie hatte einen Cousin, der hat Medizin in Bordeaux studiert und nachher in Belgien und bei dem ist sie geblieben. Ich war glaube ich ein halbes Jahr alleine in Deutschland und…habe sofort begonnen mich einzuleben. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es so etwas wie eine Kollektivschuld nicht gibt. Denn wir sind ja überhaupt das klassische Muster von einer Kollektivschuld. Denn wir sind ja die Gottesmörder und wir…und wir und so weiter. Und alles Übel der Welt ist von uns. Und es war nur etwas komisch, hin und wieder etwas mulmig, sagen wir. Auf einmal bin ich…ich habe dir begonnen zu erzählen, dass ich immer deprimiert war und so klein und so. Und die ZIM, mein Arbeitgeber, hat mich dazu gebracht…mich zu einer Selbstachtung und Selbstbewertung zu bringen. Denn auf einmal sitze ich, als der kleine Fuchs aus Israel, dem Polizeipräsidenten von Paris gegenüber. In Frankreich…ich glaube, es gibt bis heute noch ein sogenanntes Département juif – eine Regierungsabteilung, die sich nur mit Juden beschäftigt. Deswegen ist es auch so schnell gegangen, dass die französische Polizei…die hat den Deutschen, der Gestapo, ohne überhaupt gefragt zu werden die Juden ausgeliefert. „Der wohnt da und da, können Sie haben!“ Haben sie zusammengetrieben…das ist eine andere Geschichte.

 

Es war irgendwie seltsam. Jetzt bin ich darauf gekommen, dass… [kurze Unterbrechung durch seine Frau.] Man sieht einem Menschen ja nicht an, wer er ist, auf den ersten Blick…vielleicht wie er sich benimmt. Und das Wort persona im Lat…im alten Rom, ist nicht eine Person, sondern das ist die Rolle, in die ein Schauspieler steigt. Und die haben mich dort geachtet ohne mich zu kennen, denn schließlich: Eine große Gesellschaft, international bekannt, unter den zehn größten Container-Reedereien, die schicken den da her. Das heißt, der Mensch muss jemand sein. Und so langsam bin ich in eine Rolle hineingeschlüpft. Also, ich bin jemand – zu meiner eigenen Überraschung. Und dasselbe war auch in Deutschland dann. Und in Deutschland habe ich einmal gefragt am Anfang: Wo war der und was hat er im Krieg gemacht und so. Und ich habe nie verschwiegen, dass ich Israeli bin. Ich habe nur gesagt: „Ich bin Freidenker“, und so weiter. „Ich habe überlebt und es war eine schlimme Zeit.“ Darüber können wir ein anderes Mal reden, wenn du Fragen hast. Es waren fünf Jahre in Deutschland, wo ich eigentlich sehr viel herumgereist bin. Ich war für ganz Mitteleuropa zuständig, als Verkaufsperson für die Reederei…und Gruppenreisen und so. Vom hohen Norden, von Norwegen bis runter in die Schweiz – und Österreich auch. Und habe bei der Gelegenheit Deutschland kennengelernt. Ein wunderschönes Land. Mit Leuten so wie überall: Schuldig, nicht schuldig. Wir hatten deutsche Freunde. Ich bin zum Beispiel nie, weder in Paris, noch in Deutschland, noch in Österreich, den sogenannten Israelitischen Kultusgemeinden beigetreten.

 

Das ist vielleicht unfair zu sagen, aber die Leute haben sich so mit ihren kleinen Problemchen beschäftigt und haben sich gegenseitig nicht mögen. In Wien allein, in der Kultusgemeinde…die ganze Kultusgemeinde hat 7.000 Mitglieder. Das sind meistens die alten Böcke von damals noch, weil die neuen Immigranten aus der Ukraine, die treten dort gar nicht bei. Die geben vier Zeitungen heraus, wo sie sich dann gegenseitig… „Der Rabinowitsch ist ein…!“ [Lacht und fasst sich an die Stirn.] Ich habe gedacht: „Denen beitreten? Ich denke nicht einmal daran.“ Es ist schwer irgendwie nachher zu sagen „Ich bin Jude, ich bin Israeli. Wo sind die Grenzen?“ Verschwimmen. Also, ich habe genug an Erklärungen zu tun gehabt.

 

 

2/00:20:00

 

 

Und wir hatten eigentlich Freunde, deutsche. Unter anderem war einer von ihnen ein Stuka-Flieger. Weißt du was das ist? Weil viele hier haben keine Ahnung. Ein Sturzkampfbomber. Und der hat gesagt: „Ich war in der Hitlerjugend. Ich war fünfzehn, ich war sechszehn, ich war siebzehn und dann hat man mich einberufen und fliegen gelassen. Und so war es.“ Und ich muss zugeben, dass seinerzeit nach dem Einmarsch hier…diese Paraden und die Musik und die Uniformen und alles…und ich habe mir gedacht: „Warum kann ich nicht dabei sein?“ Hilde hat genauso gedacht. Die wollte dem BDM [Bund Deutscher Mädel] beitreten. Der Bund Deutscher Mädchen. Und ich wollte nicht unbedingt ein Hitlerjunge werden, aber…es ist lustig, da macht man Sport und alles. Also, man ist dabei. Ich bin natürlich bei unserer…in der Jugend-Alija-Schule gewesen, das war ja klar. Und bis man erst wirklich seine Gedanken und Gefühle analysiert und sie irgendwie aussortiert, sodass ich heute im Nachblick…Rückblick sagen kann, was ich damals hätte sagen sollen oder tun sollen oder fühlen sollen. Heute bin ich mehr oder weniger im Klaren mit mir.

 

Mein Gottesglaube ist…ich bin ein absoluter Ketzer. Ich glaube nicht, dass Gott, der persönliche Gott, uns erschaffen hat, uns alle miteinander. Ich glaube, dass alle Religionen der Welt vom Menschen erfunden worden sind. Und die Götter sind alle in ihrem Ebenbild erschaffen worden. Auch unser Gott. Er ist…angeblich ist er barmherzig. Das glaube ich ihm nicht ganz, aber er ist…warum lachst du? [Beide lachen.] Er ist aggressiv. „Nur ich! Und ihr müsst mich lieben! Nur mich und keine anderen Götter sollt ihr neben mir haben!“ Das heißt, es hat andere Götter gegeben. Er war ja nicht der einzige. Und er ist rachesüchtig und so weiter. Natürlich die ganze Idee von Theologie ist mir ein…Widerspruch in sich selbst. Das heißt Gott wird von uns…was er gesagt hat und was er gemeint hat, das ist der…bei unserem Gott, nehme ich an…er war mal ein kleiner Hausgott. Im Hause von Abraham. Also, der Abraham war nicht einmal…hat nicht einmal noch gewusst, dass er ein Jude ist.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Der Vater von Abraham, der hieß Terach. Der hatte ein Geschäft, wo er diese kleinen Lehmgötter gemacht hat. Und dieser Abraham, eines schönen Tages, wie der Vater nicht zu Hause war, hat er alle kaputt geschlagen und einen hat er nur stehen lassen. Der Vater ist nach Hause gekommen: „Mein Geschäft! Um Gottes willen! Was hast du angetan?“ Sagt er: „Ich war es nicht.“ Sagt er: „Wer war es denn?“ Sagt er: „Der da!“ Sagt er: „Bist du normal? Das ist doch eine Lehmfigur.“ Sagt er: „Siehst du, da hast du es.“ [Lacht.] Das sind meine Geschichten. Lassen sich, glaube ich, nachweisen. Gott…es gibt keinen Gott…also, dass manche behaupten…es gibt in Österreich, in meinem freimaurerischen Zirkel gibt es verschiedene Leute, die gläubige Christen sind. Man kann bei uns, was mir gefallen hat: Du kannst glauben, was du willst. Du sollst nur an…weiß Gott…an irgendwas glauben, ein höheres Wesen. Und das gefällt mir, das genügt mir. Ich schicke dir dann bei Gelegenheit eine meiner Reden…Artikel, die ich geschrieben habe, was ich darüber denke, wie ich mich vorgestellt habe in dieser Loge. Und der Titel heißt eigentlich: Bekenntnis eines säkularen Gläubigen. Was ich glaube und was ich nicht glaube. Und sie haben mich akzeptiert.

 

Was hat das Ganze eigentlich mit mir überhaupt zu tun? Ja, ich bin viel in Europa herumgekommen, habe Leute kennengelernt und bin innerlich reifer geworden, erwachsener, ausgewogener und so weiter. Und dann wurde ich zurückberufen. Denn nach fünf Jahren, mehr oder weniger…es war auch nahe dran, dass die Passagierabteilung überhaupt geschlossen wird. Denn inzwischen…das Flugzeugwesen ist aufgekommen und niemand wollte mehr von A zu B fünf Tage auf dem Schiff verbringen. Und die Kreuzfahrten…hat man eine Zeit lang versucht Kreuzfahrten zu machen. Das war alles nichts für mich. Habe ich gebeten: „Bitte übernehmt mich, lasst mich…in die Frachtabteilung eintreten.“ Und habe ich dort auch wieder von unten begonnen zu lernen. Und mehr oder weniger hat sich Ähnliches wiederholt. Nach ein paar Jahren, das war…nach ein paar Jahren hat mich derselbe Manager wieder gerufen, sagt mir: „Fuchs, wir haben beschlossen, dass du unser richtiger Mann in Taiwan bist, in Taipeh. Dort gibt es nämlich folgendes: Dort gibt es ein Problem mit den…wir haben dort unsere--“ [Steht auf und macht das Licht an.]

 

 

2/00:25:31

 

 

„Wir haben dort unsere Agentur. Die große Agentur ist in Hongkong. Taipeh ist der wichtigste Anlaufhafen. Mit zwei Häfen in Kaohsiung und Taichung…und in Kaohsiung. Und es gibt dort Probleme mit den Partnern. Da gibt es vier chinesische Partner. Also, die ZIM hält 51 Prozent und die anderen haben die übrigen Prozente…und die streiten miteinander und das… Und Chinesen ehren ältere Personen, wovon du schon einer bist.“ Ich war damals…da bin ich hingekommen, das war 1983, da war ich ja schon fast 60. Und hat sich…ich bin sofort irgendwie in dieses Chinesische, in diese Exotik eingetaucht. Ich war sehr…sehr glücklich, sehr interessiert dort und habe versucht Chinesisch zu lernen. Habe es geschafft bis zu einem gewissen Level, nicht sehr weit. Von Lesen keine Spur. Ich habe begonnen zu lesen, aber um eine Zeitung zu lesen brauchst du mindestens an die 5.000 sogenannten characters. Es gibt kein Alphabet. Also habe ich das…aber ich habe…und in China…in Taiwan gibt es auch die Ureinwohner. Die sind so was wie in Amerika, die richtigen Ureinwohner. Das sind keine Chinesen, das sind Polynesen. Und die sind heraufgedrängt. [Zeigt nach oben.] Dann waren die chinesischen Einwanderer aus Fujian, was genau gegenüber ist von Taiwan. Und die haben natürlich die Macht übernommen, schön langsam. Und dann kam der Kampf nach dem [Zweiten] Weltkrieg zwischen Mao Zedong und Chiang Kai-shek. Und da ist die Armee mit den Einwohnern von…mit seiner Armee und mit ihm nach Taiwan gekommen und die haben sich der Macht bedient. Das ist eine andere Geschichte, die nichts direkt mit mir zu tun hat.

 

Jedenfalls wegen der Sprache: Denn in China gibt es mindestens 25 oder 30 Hauptsprachen, die mehr als ein Dialekt sind. Die sich untereinander überhaupt nicht verstehen. Sie können sich nur verständigen mit Hilfe der Schrift. Denn die Schrift ist zusammengesetzt aus Idiogrammen und Piktogrammen. Phantastisch für mich! Interessant, also unwahrscheinlich! Und dann zeichnen sie manchmal in der Luft, wenn sie etwas meinen. Und dann habe ich natürlich dieses Hochchinesisch gelernt. Das ist eigentlich nur das sogenannte…was im Westen als Mandarin bekannt ist. Das ist die Sprache von Beijing, von der Hauptstadt. Und die anderen, also diese Chinesen, die vor ihnen da waren, die haben ihre eigenen Landsleute genannt: the Chinese. Die Chinesen: „Wir sind…“  Es war unwahrscheinlich interessant. Hilde war nicht unglücklich dort. Das Wetter war…naja. Es ist…tropisch. Wir haben dort ein paar Taifune mitgemacht, war sehr lustig. Lustig nicht für die Leute, deren Häuser durch die Luft geflogen sind. Wir haben unsere Kinder…und auch die Enkel konnten wir zweimal hinbringen, sodass sie auch etwas von dieser seltsamen, interessanten Welt erleben konnten. Und dort war eigentlich dasselbe. Ich war natürlich ein angesehener Mann, denn ich war…niemand hat sich interessiert, wie ich mich fühle, was ich fühle. Ich war einfach der große Boss von einer großen Gesellschaft. Ich war eigentlich nicht Boss…ich war der Vertreter meiner Gesellschaft dort – good enough. Und da war einmal ein Fall: Ein Schiff ist in Kaohsiung angekommen und das Schiff wurde aufgehalten, denn es war irgendein Verdacht auf Schmuggel. Und die haben das fest…bis der sich nicht meldet, der da irgendwas gemacht hat, soll…kann das Schiff nicht wegfahren. Das kostet 25.000 Dollar am Tag, so ein Schiff. Bin sofort runtergefahren, als Vertreter. Und der Kapitän und die Mannschaft haben jemanden dazu bewogen…überredet, dass… „Du, melde dich. Sag du warst das, du bist das und so weiter, damit wir fahren können.“ Und ich bin runtergefahren und dann wollten sie den einsperren. Habe ich gesagt: „Einsperren? Den Mann? Das kommt nicht in Frage. Wenn ihr den einsperrt, dann gehe ich mit ihm ins Gefängnis. Und die Zeitungen werden alle davon berichten.“ Also, ich habe mich groß gespielt, Pokerspiel gemacht: „Sperrt ihn ein in einem Hotel und ich sorge dafür, dass er nicht weggeht. Er kann sowieso nicht gehen, er hat keine Papiere und alles.“ Und so war es. Also, ich habe einmal gesehen, dass…so wie du auftrittst, so akzeptiert man dich. Und jetzt bin ich natürlich darüber…jetzt brauche ich niemandem mehr etwas vorspielen. Ich bin, wer ich bin. Und über meine…über die meisten meiner Schwierigkeiten, meiner seelischen…ich bin nicht geheilt. Denn die Jugend, die frühe, die Einsamkeit und dann auch diese zwei Jahre, die ich noch unter Hitlers Regime leiden musste…ich habe nicht einmal so gelitten, ich war gedemütigt. Ich war…als der letzte Dreck und so. Aber ich habe es überlebt. Es hat angedauert und im Kibbuz war ich ja auch…ein loner. Frag mich was, eigentlich…was soll ich noch sagen? Ja, mehr oder weniger--

 

 

2/00:31:31

 

 

LSY: --aber nach Taiwan ging es ja noch weiter über Österreich--

 

CF: --ah, ja! Nachher. Ja, nachher schien ja…die westliche Sonne wieder über mir aufgegangen. Ich war nachher frühpensioniert. Warum bin ich eigentlich aus Taiwan ein Jahr vor meiner Zeit zurück? Denn die Gewerkschaft hat mit Streik gedroht. Man wollte…die Gesellschaft war ein bisschen angeschwollen, zu viel. Man wollte einsparen, man wollte ein paar hundert Leute entlassen. Hat die Gesellschaft gesagt: „Auf keinen Fall! Wir streiken und alle Schiffe bleiben irgendwo liegen, in irgendwelchen Häfen.“ Und hat man sich mit ihnen geeinigt, dass jeder der über 58 ist, wird in Frühpension geschickt, mit guten Bedingungen. Und da bin ich auch hineingefallen in diese Liste, weil ich war schon über dem Alter. [Räuspert sich.] Ich war so verärgert, dass man mir das angetan hat, das zweite Mal. Einmal aus Paris weg, jetzt einmal von dort weg. Und zum Schluss hat sich herausgestellt, dass das eigentlich…es hat zu meinem Guten funktioniert. Ein Jahr lang hat man niemand Richtigen gefunden, der mich…der statt mir herausfahren sollte. Statt drei Jahren bin ich noch das vierte Jahr geblieben. Und dann bin ich…haben eine riesen Abschiedsfeier gemacht. Und bin nach Hause. Bin pensioniert worden, unter gewissen Bedingungen und habe irgendwo bei einer forwarding company gearbeitet, die teilweise mit ZIM liiert war. Es war nicht sehr interessant, aber schon…es war okay. Und dann kam plötzlich dieses Angebot aus Österreich. Die kannten mich von früher, wie ich noch die…eine Zeit lang war ich…mein Titel war Adriatic Manager. Wo ich noch nicht einmal Matura habe, sehr lustig. Und die kannten mich auch von der anderen Seite, als Kunden sozusagen. Da haben sie gesagt: „Ja, wir kennen dich und du kannst Deutsch. Hast du vielleicht Lust bei uns zu arbeiten?“ Sage ich: „Ja, ich schaue es mir einmal an.“ Und da haben sie mir den Flug bezahlt, nach Wien…zum anschauen. Ich habe noch keine Ahnung gehabt, wie viel… „Welches Gehalt willst du haben? Was willst du haben?“ Ich habe einen Freund gehabt, der hat für Schenker gearbeitet, eine große Frachtgesellschaft. Ich sage so: „Herbert, was…?“ Hat mir eine Summe genannt und so weiter und ich habe das gesagt. [Schlägt auf den Tisch.] „Da hast du es!“ Einen anständigen Posten gekriegt, einen Firmenwagen gehabt, eine Firmenwohnung und dann: Wie sagt man das der Hilde? Natürlich, Österreich ist so eine Sache. Und wir wohnen in Klosterneuburg. Nachher wie es so weit war, wurden wir abgeholt und…wenn du Klosterneuburg kennst: Man kommt dort an, da fährst du so…ein Teil ist eine sogenannte Altstadt. So kleine Gassen, da fahren wir so durch und so uralte Häuser. Sagt die Hilde: „Um Gottes willen, wir sind im Mittelalter!“ [Lacht.] Aber dann…es war für uns…ein Wiedereinleben in Österreich.

 

 

2/00:35:13

 

 

Es gibt da…es gab Zwischenstationen auch. Ich weiß schon nicht mehr, was alles war. Jedenfalls, es waren fast…es waren neun angenehme, glückliche Jahre. Während…in Taiwan war das mein professioneller Höhepunkt und in Österreich war das mein emotioneller Höhepunkt, in gewisser Hinsicht. Ich habe ja auch gearbeitet dort, ich musste meine Existenz rechtfertigen. Und ich bin auch dort…habe ich eigentlich nur Freunde gemacht…gehabt, gemacht, die ich bis heute habe, einen Teil davon. Was soll ich noch erzählen? Natürlich, wie wir nachher…dann ist es ziemlich…die Wirtschaftslage ist natürlich enger geworden und schlechter. Und da habe ich gesagt: „Wisst ihr was? Ich habe ein relativ gutes Gehalt hier. Ich nehme den Platz einer wahren Österreicherin weg.“ Und da haben wir gesagt: „Okay.“ Wir haben uns verabschiedet. Alles bestens, was ich dort hatte. Haben einen kleinen Lift zusammengestellt mit ein paar Möbeln und bin zurückgekommen. Und dann war natürlich ein Neuanfangen wieder. Unsere Wohnung, die wir jetzt erst aufgegeben haben – also vor eineinhalb Jahren –, die ist die ganze Zeit leer gestanden. Denn wir hatten die schlechteste Erfahrung gehabt mit einer früheren Wohnung. Die hatten wir vermietet gehabt und haben eine Ruine vorgefunden. Da waren unsere ganzen Möbel aus Taiwan dort und…es war eine Wohnung. Und wir haben dann weder vermietet…die Kinder haben wir hin und wieder darin wohnen lassen. Jedes Mal, wenn wir auf Urlaub gekommen sind, haben wir dort gewohnt. Und dann haben wir sie wieder vorgefunden und unser Leben neu begonnen, praktisch. Mit dem Erwerbsleben war es aus, es war genug.

 

 

Ende von Teil 2

 

 

Teil 3

 

 

Und dann natürlich in Wien…ich war schon vorher in Israel in der Freimaurerloge, in der deutschsprachigen. Und habe ich in Wien wieder gesagt: „Ich bin Bruder, wenn ihr bereit seid“. Zuerst war ich ein Gast. Und dann wurde ich als volles Mitglied aufgenommen und…bis heute. Das hat mir auch ein intellektuelles Fenster geöffnet an eine Welt, von der ich hier leider nur träumen kann. Obwohl, auch in Österreich ist das eine Enklave von Intellektuellen, die…von der Kirche natürlich abgelehnt. Aber es war für mich ein Einstieg in eine Welt, zu der ich eigentlich, das muss ich bis heute zugeben, nicht geschaffen bin. Denn ich habe keine formelle Erziehung. Ich habe sechs Schulklassen im Ganzen gesammelt. Das letzte Mal, dass ich eine Schulklasse von innen gesehen habe, war 1938. Und alles, was ich gelernt habe, aufgesogen habe wie ein Schwamm, das kam zu mir durch Lesen, durch Zuhören, durch Erleben. Und ich bin nicht einmal so unzufrieden damit. Aber richtig…mit Intellektuellen…ich kann so mithatschen [mithinken], aber ich bin nicht ebenbürtig. Aber es macht mir nichts aus, ich habe keine Minderwertigkeitsgefühle mehr. Ich hatte welche lange genug – 40, 50 Jahre meines Lebens. So ist das Leben mit mir verfahren und im Großen und Ganzen kann ich mich nicht beschweren. Ich bin relativ gesund, habe Sport betrieben, habe Judo gemacht, Karate. Ich bin…in Österreich bin ich Skifahren gegangen. Ja. Und zwar in Mutters…oder in Natters, das sind zwei…zweimal war ich dort. Das ist bei Innsbruck. Und da habe ich den Idiotenhügel bewogen. Wo man ein, zwei Tage…da lernt man… [Lacht.]

 

LSY: Ja, ich bin nicht darüber hinausgekommen.

 

CF: Ich auch nicht. Aber ich Vollidiot, mit einem Freund, einem Deutschen, einem Sportlehrer, der 40 Jahre jünger war als ich…wir haben gesagt: „Wir haben genug davon!“

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Wir zwei Vollidioten sind herauf mit der Seilbahn bis nach oben. Ich weiß nicht genau, wo das war, aber…in der Nähe von Natters. Und dann stehen wir dort oben und schauen nach unten. Da gibt es keinen Ausweg. Da kann man nicht sagen: „Ich habe mich geirrt, ich möchte wieder weg.“ Wir haben uns umarmt, die Hand geschüttelt und wir sind losgezischt. Frage nicht! In diesen zehn Minuten vielleicht, so lange es gedauert hat, von zweieinhalb Kilometer sowas herunter, habe ich mehr über Skifahren gelernt als in den vorherigen zehn Tagen. Ich bin vorbeigeflitzt an Bäumen, an…es war unwahrscheinlich! Und zum Schluss habe ich einen riesen Sprung gemacht, in einem Schneehaufen gelandet und…bin aufgestanden und da war ich noch voller blauen Flecken, Blut…aber das war es. Und das ist mir beibehalten geblieben, dieses abenteuerliche Erlebnis, dieses Sich-Hereinstürzen in die Welt, etwas unternehmen und…dasselbe war eigentlich auch mit dem Karate und mit dem Judo. Ich bin dann in Kämpfen aufgetreten, wo die Leute mir weit überlegen waren, aber es war lustig. Ich habe ein paar Bilder noch davon, wie ich so durch die Luft fliege…über fünf…[Deutet etwas an.] Hast du das einmal gesehen, wie diese Übungen sind? Ich bin nicht sehr weit gekommen. Du steigst ein, hast einen weißen Gürtel. Nachher kriegst du einen gelben Gürtel, nachher kriegst du einen blauen Gürtel. Ende, aus für mich. Und das war in…das war in Deutschland noch.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Und die Deutschen sind Menschen, so wie jeder andere. Was man über die Schuld…dass niemand was wusste sozusagen, nach dem Krieg, das ist ja Unsinn. Das können sie niemandem erzählen. Sie wussten nicht genau was war. Aber zigtausende Menschen sind verschwunden. Man hat gesehen, wie man sie festgenommen hat, wie man sie auf der Straße geprügelt hat. Man wusste es und Leute, die neben Mauthausen gewohnt haben oder neben anderen…sagen wir in Deutschland…die wussten alles. Aber sie wollten es nicht wissen aus Angst vielleicht selber… Ich habe da nur…ich lese keine Holocaustliteratur mehr. Außer letztens habe ich von Primo Levi zwei Bücher gelesen. Das ist für mich einer, der überlebt hat und der das ohne Gejammer da schildert und da kriegt man dieses Grauen und die Bestialität von Menschen auch…da habe ich auch ein Buch bekommen, das…wenn ich ein Buch beginne, lese ich es bis zum Ende. Ein einziges Buch, das heißt…The Emperor of Lies. Das ist über das Ghetto in Łódź. Das ist einer…sozusagen ein Supercapo. Und diese Beschreibungen, diese polnische, deutsche, jüdische Grausamkeit, ist ein…das Buch habe ich als einziges…also, ich lese keine Literatur mehr. Es gibt zigtausende Bücher. Wenn Leute mich fragen: Was soll ich lesen, was? Es gibt so viel darüber geschrieben. Ich habe da noch ein Buch von Götz Aly. Die Deutschen und die Juden. Warum? [meint: Götz Aly, Warum die Deutschen? Warum die Juden?] Es ist begründet wieso…wieso der Nationalsozialismus so aufsteigen konnte. Natürlich kann man zurückblicken auf den Ersten Weltkrieg, mit dem Dolchstoß und mit dem…damals hat es auch schon Judenhass gegeben. Die schönste Zeit für die jüdische, deutsch-österreichische Bevölkerung war zwischen den beiden Weltkriegen. Nicht, dass sie unheimlich beliebt waren, aber es gab blendende Musiker, Ärzte, Professoren und alles. Die haben gelebt und es war…es wurde gelebt. Kennst du Die Tante Jolesch? Das…ich glaube, ich habe zwei Kopien davon, ich schicke dir dann eine. Das ist von…na gut, das lassen wir! Ich komme durcheinander irgendwie.

 

 

3/00:06:32

 

 

LSY: Kann ich dich kurz was fragen?

 

CF: Frag mich, bitte!

 

LSY: Siehst du einen Unterschied zwischen den Deutschen und den Österreichern? Jetzt auf zwei Ebenen, damals die Österreicher und Deutschen zur Zeit des Krieges und auch später wie sie mit der Vergangenheit umgegangen sind.

 

CF: Es gab immer Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen. Österreich hat sich als Deutsch-Österreich gesehen, aber es war Österreich. Und das ist Die Piefke-Saga und wenn man Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit liest. Kennst du das? Und dann…ich habe das Buch gelesen, ich habe nicht wirklich gesehen, warum er das Ende…Die letzten Tage der Menschheit genannt hat. Denn die Menschen haben ja fröhlich weitergelebt. So fröhlich. Also, zu deiner Frage: Die Deutschen…es gab natürlich Antisemitismus. Ich hasse dieses Wort! Ich nenne es einfach Judenhass. Das ist es. Dieses Wort, Antisemitismus, wurde von einem Deutschen erfunden, in den 1880er Jahren. Ich habe vergessen, wie er heißt…er hieß irgendwie. Und das ist eine total falsche Bezeichnung: Araber sind auch Semiten und es gibt noch andere Semiten und die hasst man nicht unbedingt. Die Araber sagen…lassen wir das…Judenhass. Und Judenhass, das lege ich zu Füßen der katholischen und protestantischen Kirche und auch…wie soll ich sagen? Zu unserer eigenen Selbstgefälligkeit. „Wir sind das auserwählte Volk und wir müssen das Leid der ganzen Welt tragen“, und alles. Wir sind nicht liebenswerte Geschöpfe, manchmal. Ich schaue mir alle diese sogenannten Orthodoxen an. Ich darf sie nicht…ich darf sie nicht richten nach dem, wie sie ausschauen, wie sie sich anziehen. Aber es kommt mir manchmal vor, als…wenn das veröffentlicht wird, um Gottes willen! [Lacht.]

 

LSY: Pass auf! [Lacht.]

 

CF: Dann werde ich entweder gekreuzigt oder ich komme auf den Scheiterhaufen! Oder ich werde gesteinigt. Denn Jesus wurde nie…hätte nie von den Juden ermordet werden können. Er war für sie ein…nach meiner Ansicht war er einer der großen Propheten in der Linie von den großen Propheten: Amos und Ezechiel und alle miteinander. Er wollte dem Judentum diese Ketten abnehmen…diese kleinliche Zusammengehörigkeit. Er wollte diese Religion der ganzen Welt…Sklaven, alle miteinander. Und leider haben ihn nachher die Römer übernommen. Denn wir haben den Jesus nicht umgebracht. Wir, sage ich. Eventuell…hätten wir einen Cherem auf ihn ausgelassen. Das heißt eine Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, was praktisch ein Todesurteil ist. Man darf ihm nicht näherkommen als vier Meter, man darf nicht in die Augen sehen. Also, vielleicht hätten sie das mit ihm gemacht oder sie hätten ihn gesteinigt. Das ist…davon kommt ja: „Wer wirft den ersten Stein?“ Umgebracht, zum Tode verurteilt hat ihn Pontius Pilatus. Und niemand kann mir erzählen heute, dass der armselige…die armselige Priesterschaft dem Pontius Pilatus gesagt hat, was er machen soll. Das ist doch genauso, als würde man dem Judenrat sagen…er hätte der Gestapo gesagt, wie sie sich benehmen sollen. Pontius Pilatus hat beschlossen: „Der Mensch bringt Unruhe, weg mit ihm!“ Man hat ihn gekreuzigt nach römischer Art. Der Lanzenstich, der berühmte, wurde von römischen Legionären gemacht und so weiter und so weiter. Also, wir haben mit seinem Tod nichts zu tun. Ich habe ein Buch hier…ich weiß nicht, ob du es jemals lesen wirst, es ist lang…das ist von einem Chief Justice, Haim Cohen, geschrieben worden, die…von seiner Sicht. Er war am obersten Gerichtshof.

 

 

3/00:10:39

 

 

LSY: Ja, ich kenne ihn.

 

CF: Und er hat geschrieben: The Trial and Judgement of Jesus. Nach altem römischen Recht und jüdischem Recht. Ein dicker Wälzer, phantastisch geschrieben. Aber wer will das lesen heutzutage? Genauso wie ich meinen damaligen Schulfreunden nicht sagen könnte: „Diese Sprüche, die hast du vom Stammtisch her, von dem idiotischen! Von deinen Eltern und von deinem Pfarrer vielleicht auch! Denke! Mensch, denke nach!“ Das…ich habe…der letzte Absatz von dem Formular…wo ich noch am meisten geschrieben habe, was ich eigentlich noch vermachen möchte--

 

LSY: --weitergeben--

 

CF: --weitergeben möchte. Ich möchte so viel weitergeben, weil „niemals vergessen“ allein ist nicht genug – auch für unsere Leute. Niemals vergessen…okay, du vergisst es. Du gehst runter zum Nachbarn, hast schon vergessen. Vergessen, das ist…ob man das verstehen kann…ich glaube nicht, dass man das verstehen kann, was der Mensch im Stande ist. Und wenn ich mir die Geschichte ansehe, das ist eine einzige Geschichte von Mord und von…Terror. Ob das da…wer immer es auch war. Und die Deutschen waren da keine Ausnahme. Die Wikinger, die Skandinavier, das waren die fürchterlichsten Menschen über die ich je gelesen habe. Die Dänen, die heute sowas Friedliches sind, die waren der Schrecken Europas. Die Schweden und die Franzosen und die Spanier und die Portugiesen und die Polen und die Ukrainer und die Russen: Alle miteinander. Also…es gab keine Ruhe. Und die Juden waren immer irgendwie der Sündenbock, der…und das ist die Größe – Größe unter Anführungszeichen – der katholischen Kirche, dass es ihnen gelungen ist, die Schuld von sich selbst abzuwenden. Ich habe einmal jemandem gesagt: „Römer haben…römische Soldaten haben Jesus getötet. Das sind die Gottesmörder. Warum sagt ihr nicht auf alle Italiener, dass das die Gottesmörder sind? Warum hängt ihr uns das an?" Das hätte ich damals sagen müssen…nachdem was man mir angetan hatte. Ich weiß nicht, ob ich heute gescheit genug bin um das wirklich auszusprechen. Und damals sowieso nicht. Damals war ich vierzehn Jahre alt. Also, ich kann niemanden richtig…

 

Jedenfalls sagt er, der Unterschied zwischen Österreichern und Deutschen: Deutschland ist einmarschiert ohne einen Schuss zu feuern. Es gab schon längst…einen massiven Nazi-Untergrund. Es gab die verschiedenen Milizen. Wobei mein Vater auch im Schutzbund war. Der Schutzbund, das war die Miliz von der Sozialdemokratie oder was. Und von dem habe ich übrigens das letzte Mal gehört, da war er in Nischni Nowgorod, habe ich das erzählt?

 

LSY: Nein.

 

CF: Da hat man uns einmal zur Gestapo in der Prinz-Eugen-Straße gerufen, denn mein Vater hat plötzlich geschrieben. Das war in dieser kurze Periode…Ribbentrop-Molotow, Friede auf einmal. Nicht Friede, aber auf einmal war es „Herr Hitler“ und „Herr Stalin“. Und auf einmal, mein Vater ist da, er möchte die Familie zusammenführen. „Ich arbeite in Nischni Nowgorod, es geht mir gut. Ich möchte euch haben!“ Der Vater auf einmal. Ich wollte schon nach Israel gehen…also, jedenfalls wir sind heraufgehatscht [gehinkt] zur…in die Prinz-Eugen-Straße und da sind sie alle gestanden: der [Adolf] Eichmann und der [Franz] Novak und der [Ernst] Kaltenbrunner. Ich kannte…ich wusste damals nicht, wer das alles ist. Nachher…die waren alle da und haben uns angeschaut. Und ich weiß nicht was, jedenfalls ist nichts draus geworden. Jedenfalls…weiß nicht. Hätte ich…wären wir nach Russland gegangen, ich glaube nicht, dass es uns sehr lustig ergangen wäre dort. Und ich bin fast sicher, dass es auch meinen Vater…dass der Stalin ihn um die Ecke gebracht hat.

 

 

3/00:14:37

 

 

LSY: Der Vater ist im Krieg gestorben?

 

CF: Nein, man hat ihn umgebracht nachher, dort.

 

LSY: Ja.

 

CF: Er war ja schon…er war im Ersten Weltkrieg…war er auf österreichischer Seite, weil Österreich hat ja damals ganz Polen…also fast ganz Polen, Ukraine… Das bewegendste Buch war auch von Alberto Moravia, nach dem Krieg. Das…wie hieß es nur? Es war ein Abrechnen mit dem stalinistischen Regime. Also, die beiden…das ist das Janusgesicht, wenn man so will, vom menschlichen Diktator. Der Unterschied war, dass…Deutschland hat diese bestialische, technologische…Massakrierung von einem Volk: „Dieses Volk muss ausgerottet werden!“ Und Österreich hat es mehr oder weniger willkommen…ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Protest war. Jetzt weiß ich: Es gab deutschen Widerstand und es gab österreichischen Widerstand. Es gab Widerstand in der katholischen Kirche und es gab…von anderen auch. Auf der anderen Seite kann ich mich an den Kardinal [Theodor] Innitzer erinnern, der Hitler mit dem Hitlergruß begrüßt hat. Und der damalige Papst, Pius, der--

 

LSY: --Zwölfte.

 

CF: Wie hieß der nur mit dem zivilen Namen? Weiß ich nicht.

 

LSY: Das war ein Italiener…[Eugenio Maria Giuseppe Giovanni] Pacelli.

 

CF: Pacelli. Das war…erst mal so: Er war ein…Deutschfreund. Er sprach perfekt Deutsch. Und er sah die Zusammenarbeit mit Hitler…der katholischen Kirche mit Hitler, wobei Hitler die katholische Kirche überhaupt nicht…er hat gesagt: „An was glauben die denn? Glauben an Jesus? Das war doch a Jud [ein Jude]!" Dieser Pacelli hat, glaube ich, gesehen…Hitler als Bollwerk gegen den Kommunismus, was in Amerika später auch ein…unter [Joseph] McCarthy ganz großes Thema war. Also, ich…der Unterschied ist in der Mentalität. Und die Deutschen waren super gründlich und genau eingestellt. Auf die Minute muss alles gehen. „Und wenn wir das…so und so viele Menschen, wenn die abgeliefert werden müssen, dann…es können nicht 1.001 sein und es können nicht 999 sein.“ Und so weiter. Wie dieser Primo Levi auch beschreibt: Die Baracken, wie sie abgerissen wurden, wie das bis auf den letzten Nagel alles wieder wegtransportiert wurde. Und die Österreicher haben mitgemacht. Und ein großer Teil von der Landbevölkerung…die waren die begeistertsten Nazis. Und ich will niemanden verurteilen. Du wirst geboren in eine Gesellschaft, in eine Gemeinschaft herein und du lernst von den Eltern, die schon längst ihre Vorurteile haben. Für sie ist das praktisch zweite Natur. Haben wir Zeit? Geht noch.

 

LSY: Jaja. Du hast die Zeit, ich habe…

 

CF: Also, der Unterschied…soll ich mich des Langen und des Breiten über die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich ausbreiten--

 

LSY: --nein, ich wollte nur auch ein bisschen…wie siehst du das, wie die Österreicher später damit umgegangen sind…mit der Geschichte?

 

CF: Dann später? Sehr schlecht. Viel schlechter als Deutschland. Erstens einmal, sie wurden gerettet durch den Friedensvertrag von Jalta. Wodurch Österreich praktisch als das erste Opfer anerkannt wurde. Das war ein Glück für Österreich. Auf einmal: „Ja, wir sind ein Opfer! Es gab kein Gas und…bei Gott, wir wollten ja gar nicht und wir wussten nicht…“ Und diese Schönfärberei und dieses…Nichtbereitschaft mit der eigenen Vergangenheit…Deutschland hat das grundsätzlich durchgeführt. Es gibt diese Aktion Sühnezeichen bis heute und…dass heute wieder der Neonazismus von neuem aufblüht, das ist ein anderes Thema. Und dazu kann ich auch nur die Franzosen erwähnen…

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

…die sich ähnlich benommen haben, nach der Eroberung. Sie haben ihre jüdische Bevölkerung total ausgeliefert der Gestapo, ohne dass man sie gefragt hat, dazu. Sie haben sie zusammengetrieben im Stadion und dann…und so weiter. Die französische Polizei ganz besonders. Also, man kann irgendwie nicht sagen…die Franzosen haben sich ja nachher auch aufgespielt als die Großen. Wobei, was ich nachher gelernt und gesehen und gehört habe und gelesen…dass die Résistance…die war hauptsächlich zusammengesetzt aus Juden, aus Flüchtlingen aus Polen, aus der Tschechoslowakei…und das war die Résistance. Und das wurde natürlich ganz hochgespielt nachher. Und das hat auch mindestens zwanzig Jahre gedauert bis das…die Shoah, das von [Claude] Lanzmann veröffentlicht wurde. Und es wurden auch Filme gedreht über…

 

 

3/00:20:00

 

 

Und Frankreich bis heute, okay, wir…es wurde unter den Teppich gekehrt. Und Österreich…die meisten, die verurteilt wurden, die vor Gericht gebracht worden sind, die haben entweder ganz kurze Freiheitsstrafen bekommen. Es wurden ganz wenige hingerichtet. Ich glaube, nicht mehr als Finger auf einer Hand. Und dann geschah ja auch noch in der Nähe…ganz in der Nähe von Mauthausen in einem…kennst du die Wachau? Bei Persenbeug gibt es einen winzigen Ort, der heißt Priel oder sowas. Dort waren die letzten Juden und Jüdinnen, die auf einem Todesmarsch nach Mauthausen waren. Sie waren dort schon untergebracht und da kam in der Nacht ein SS-Rollkommando, das war fünf oder sechs Tage vor der Kapitulation Deutschlands…und haben diese Leute einfach massakriert. Total hilflose Leute, die sich auch nicht mehr rühren konnten. Alte, junge und Kinder. Und es wurde jetzt…also, vor einem Jahr ist ein Buch herausgekommen, das heißt Das Faustpfand. Und eine Nummer, also die Anzahl dieser Leute, die damals massakriert wurde – ich glaube 423 oder sowas.

 

Und es ist dank einem österreichischen Gendarm, der bestimmt nur ein Kommandant dieses Ortes war, weil er entweder ein Mitläufer war oder sich irgendwie mit den…aber ein Mensch mit Gewissen…und der hat sie angezeigt. Es ist nie etwas daraus geworden: Personen unbekannt. Aber es hat wieder doch etwas… Und bis heute…ich war oft in Österreich unterwegs, in der ländlichen Bevölkerung. Klagenfurt, Steiermark, Tirol weniger…weniger hingekommen. Und es gibt immer noch unterschwellig diese antisemitischen Vorurteile. Wir haben sehr gute Freunde gehabt und der eine hat mir einmal gesagt…eine Mitarbeiterin, wo ich gearbeitet habe, sagt sie: „Ja, I hob an Freind [ich habe einen Freund], der ist toll, der kennt sich aus. Der handelt wie ein Jud [Jude]!" Habe ich gesagt: „Weißt du, was du sagst, Ingrid? Was heißt, er handelt wie ein Jud? Das heißt, ein Österreicher behandelt…wie er glaubt, dass das heißt. Er ist nach euren Vorstellungen: Er ist ein Gauner, er ist ein Lügner, er ist ein Betrüger und das. Also…watch out, wie du dich…“ Und das kommt…das ist im Volksmund so verankert. „A Jud!“ A Jud ist einer, der handelt und macht krumme Geschäfte und…dass die Juden überhaupt dazu gezwungen worden sind zu handeln, das war die katholische Kirche. Du durftest kein…du durftest kein Land besitzen. Du durftest keiner Gilde beitreten. Und es war verschieden…in unterschiedlichen Ländern. Da waren sie Goldschmiede vielleicht oder Silberschmiede und da waren sie…in Hessen besonders waren sie Pferdehändler. Da gibt es diesen einen Ort, wo bis heute noch Jiddisch gesprochen wird.

 

LSY: Ja?

 

CF: Ja. Es wird gesprochen. Es war…ich vergesse immer, wie dieser Ort heißt. Ich muss mich an ihn erinnern. Die jüdischen Pferdehändler und die Deutschen, die Hessen, die haben mit denen zusammengearbeitet und damit man nicht versteht…der Kunde, der das Pferd oder die Kuh kaufen will, da reden sie untereinander…und dazu hatten sie das Jiddische benützt. Wir waren in…ob der Tauber…wie heißt der Ort? Ein wunderschöner Ort. Der Fluss macht so eine Biegung rundherum und dort gibt es einen…und dort hat es Juden gegeben. Und die ganze Bevölkerung wurde ermordet noch lange bevor man an Hitler gedacht hat. Und wenn man Österreich nimmt: In Wien am Judenplatz ist eine Tafel in Latein, die nur der Kardinal [Christoph] Schönborn entziffern kann. Und zwar: Im vierzehnten Jahrhundert gab es eine jüdische Gemeinde dort. Das ganze Wien kann nicht mehr als ein Kaff gewesen sein. Es gab eine jüdische Gemeinde mit einer Synagoge. Und eines schönen Tages, ich weiß nicht wann, aus irgendeinem Grund…Juden…ich weiß nicht, ob es zu Ostern war oder nicht…haben sie die ganzen Juden eingesperrt in die Synagoge, zugesperrt und haben sie lebendig verbrannt. Die paar, die übriggeblieben sind, hat man auf Kähne gesetzt und Donau abwärts treiben lassen, ohne Ruder.

 

 

3/00:24:59

 

 

Und diese Lateintafel, die dort steht…das ist nicht eine, die den Österreichern oder den Wienern leidtut. Sagt er: „Endlich einmal sind wir diese Hunde losgeworden“, oder etwas in diesem Sinne. Es tut mir leid, dass ich das damals mir nicht übersetzen habe lassen. Also, Österreicher hin, Deutsche her, Juden, Nicht-Juden…und manchmal, unsere ärgsten Feinde sind die eigenen Juden. Da gab es einen gewissen [Johannes] Pfefferkorn im Mittelalter und der hat gesagt: „Wenn ihr den Juden erwischen wollt, dann bei seiner Tasche." Und da gibt es jede Menge Witze…und die Spitzel und die Angeber und die Kriecher, die nachher…es ist eine Geschichte, da sträuben sich die Haare. Und da können wir noch zehn Stunden miteinander sitzen, es wird mir immer wieder etwas Neues einfallen. Und ich habe noch immer nicht deine Frage beantwortet!

 

LSY: Doch! Zum Teil.

 

CF: Teilweise. Also: Österreich ist nicht Deutschland. Hast du jemals die Sendung Die Piefke-Saga gesehen?

 

LSY: Zum Teil.

 

CF: Das war was. Das war was so Amüsantes. Aber ich habe das genossen. Alle Seiten menschlich hergestellt, jeder mit seinen…die Österreicher mit ihren scheinheiligen…da sind die Deutschen doch anders. Die Deutschen sind aufrichtiger, finde ich. Also, wenn ich sowas verallgemeinernde überhaupt aufnehme. „Wenn sie sagen, wir sind solche, dann sind wir eben solche! Und schauen wir, wie wir weiterkommen damit." Ich kann wirklich nicht…ich möchte länger nachdenken darüber, um mich da richtig nachher auszudrücken.

 

Es ist nicht dasselbe, aber im Prinzip, was sich dem Judentum in der Vergangenheit und auch jetzt wieder…ist es ähnlich. Es gibt diese ganzen Denkmäler und…dieses enorme Denkmal in Berlin. Wie viele Berliner und wie viele Deutsche gehen wirklich hin um das zu…wie viele? Es kommen viele her nach Yad Vashem. Und auch im Kibbuz Lohamei HaGeta'ot. Und da kommt man diesen Sachen eher näher, weil das hier ist. Das ist unter den Lebenden, unter den Überlebenden. In New York gibt es ein enormes…ein riesen Aufwand von Museen, von Ausstellungen. Es ist in Ordnung. Aber ich finde es ist irgendwie nicht auf menschlicher, gefühlsmäßiger Ebene. Und niemand hat heute noch wirklich die Zeit und die Muße. Und die eigenen jungen Israelis, die wissen alle nicht mehr. Sie wissen, es gibt den Gedenktag, den Jom haScho'a und den Jom haAtzma'ut. Und da kommen wirklich…ich habe mir das mit Hilde angeschaut. Hilde geht normalerweise um acht, neun schlafen. Wir sind gesessen bis zehn Uhr und haben uns das angesehen. Wo Überlebende auftreten mit ihren Geschichten. Und dann wäre ich kurz wieder ein überzeugter Israeli, dass es diesen Staat geben muss. Womit ich mit seinen Politikern und Politik nicht einverstanden sein darf und kann, aber den Staat muss es geben und auf einmal sehe ich, dass…wir haben unseren eigenen Panzer und wir fliegen in der Luft herum und wir schießen und wir sind im Internet ganz große…und unsere Kinder haben alle gedient. Und dann sind es die…auch die Äthiopier, die jetzt auch in unserer Armee dienen. Und es gibt auch Drusen und es gibt auch ein paar Araber, die freiwillig dienen und so weiter.

 

Also, wir haben einen Staat und der ist…der gibt dem ganzen jüdischen Volk auf der ganzen Welt…außer diesen grausigen Satmar-Juden in New York…gibt es irgendwie ein…ein Rückgrat. Sie wollen nicht unbedingt herkommen. Sagt er: „Ich, nach Israel? Bist du normal? Da wird geschossen, da wird nur koscher gegessen.“ Ich weiß nicht…sowas. Denken nicht einmal dran herzukommen. Aber es gibt diesen Staat mit dem man auch nicht einverstanden sein kann, mit seiner Regierung. Aber seine Existenz zu delegitimieren, das lasse ich nicht zu. Der Staat…niemand auf der ganzen Welt, kein Volk, sitzt auf dem Boden, wo…wo sie nicht irgendjemanden vertrieben haben. Die Türken, die jetzt so einen großen Wirbel machen. Von wo kamen sie her? Sie kamen über die Berge und haben das Byzantium von damals belegt und haben die Griechen vertrieben. Anatolien war griechisch. Und jetzt sitzen die da und: „Wir waren immer da!“ Also, es sitzt niemand da, der immer schon da war. Nicht einmal die Japaner. Die Japaner haben ihre Ureinwohner auch, die Ainu…auch irgendwo hin vertrieben.

 

 

3/00:30:04

 

 

Und die Franzosen. Wer sind die Franzosen? Wer sind die Deutschen? Sind das die Goten? Sind das die Vandalen? Sind das…wer? Also, man ist da. Man ist da und dann hat man seine…baut man sich selbst seine nationale Identität auf. Und unsere nationale Identität ist um den Tenach herum gebaut, um die Bibel. Und ich akzeptiere das irgendwie, denn wenn die Juden mir sagen…die Juden [Lacht.] „Wir haben ja nur überlebt, weil wir den Tenach hatten und geglaubt haben.“ Wie gesagt, das stimmt, denn das war der Haltpunkt der Juden und sie sind ein starrköpfiges, hartnäckiges Volk. Aber der Preis, der bezahlt wurde dafür, Kiddush haShem, unglaublich. Nicht nur Millionen, sondern Milliarden von Juden sind gestorben. Seit, sagen wir…fangen wir an mit der Vertreibung durch die Römer. Dass sie schon einmal vertrieben worden sind, aus dem damaligen Israel nach Bagdad, also nach…das war der König Zacharia. Hat mit dem…das ist das Land das zwischen den Mächten immer gestanden ist. Zwischen Ägypten auf einer Seite, und zwischen Babylon, Assyrien, Ninive und so weiter. Und er hat auf das falsche Pferd gesetzt. Und genauso…die hartnäckigen Juden haben gemeint, sie können Rom besiegen. Also, wo samma [sind wir]? Und dann haben sie den Preis dafür bezahlt. Und sie geben noch immer nicht auf. Und Gott ist immer noch barmherzig und immer noch gütig und so weiter. Und dann zum Schluss sage ich immer…ich will nicht immer die 6,000.000 aufbringen. Es waren 6,000.000. Sie wurden ermordet. Ein Teil starb tatsächlich an Hunger. Warum starben sie an Hunger? Warum starben sie an Hunger und Typhus? Weil man hat sie dorthin gebracht--

 

LSY: --in die Situation--

 

CF: --man hat sie dazu gebracht. Und die Gaskammern gab es, das ist dokumentiert und alles. Wie viele es auch ableugnen. Und für mich ist der liebe Gott in diesem Fall…der kann ja alles. Und, dass er…wenn er alles kann, dann ist er auch verantwortlich. Einer unserer Propheten…Isaiah, oder sowas, hat gesagt: „Es gibt kein Unglück in Stadt und Land, das nicht von Gott verursacht ist.“ Und so ist es. Und für mich…ohne die 6,000.000 und all das vorher…Gott hat meine Mutter und meine Tochter persönlich erschossen, wenn es ihn gibt. Er ist der, der da auf den trigger gedrückt hat. Und das…also vergessen wir auf Gott. Wollen wir an irgendein höheres Wesen glauben? Ich bin bereit…dass es existiert, irgendetwas. Der blödeste Ausspruch ist von Leuten, die normalerweise intelligent sind oder gescheit…sie sagen: „Ja, man muss doch an etwas glauben!“ Was heißt, man muss an etwas glauben? Zweifele, denke nach und nachher entschließe dich, an was du glauben willst oder nicht! Von mir aus Gott kann sein Donald Duck oder Superman. Er ist für mich…Gott ist eine literarische Figur. Was wissen wir über Gott? Keiner hat mit ihm gesprochen, keiner hat ihn gehört, keiner hat ihn gesehen. Über ein Buch…und da erscheint er drinnen. Und das ist er. Das heißt, er ist eine von Menschen erfundene Figur. Bist du einverstanden? Danke! [Lacht.]

 

LSY: Ich bin einverstanden.

 

 

[Ende des Interviews.]

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Fuchs' parents, Helene (on the right) and Aaron (second from the right) and his sister Ruth (second from the left) with friends, Rodaun near Vienna, in the 1930s.
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Fuchs, Austria around 1938.
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Wedding photograph of Fuchs and his wife Hilde, Palestine in the early 1940s.
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Fuchs (on the right) and his friend Avi Marienberg (on the left) in the uniform of the British Royal Navy in Cairo, Egypt, 1945.
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Fuchs as a tank driver near the Syrian border during the Six Days War, Israel 1967.
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Fuchs (lying in the foreground) with his wife Hilde (second from left), his daughter Ruth Helene (first from left), his granddaughter Natalie (second from right) and his grandson Doron (first from right) on holiday in Thailand, 1985/6.
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Fuchs' driver's licence from the Republic of China (Taiwan), 1983-88.
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The home at Elisenstrasse 77, Rodaun/Vienna, where the Fuchs family lived from around 1928, pictured in 2004.
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Fuchs in seiner Wohnung in Haifa/Israel 2017.